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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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»habe ich ihm sein eigenes Schreiben unter die Nase gehalten und gesagt: Ich habe schon eine Interviewanfrage vom Fernsehen. Und wenn ich gefragt werde, ob ich in Ihrem Auftrag da war, dann sage ich nichts, sondern halte einfach Ihren Brief vor die Kamera. – Das hat gewirkt.«
    Beitz ist noch eine andere Episode in Erinnerung. Nach seinem Besuch bei Adenauer Ende 1960 verlässt er das Kanzleramt über den Hinterausgang. »Wir sind über die Hintertreppe hinausgegangen, damit uns die Journalisten nicht bemerken. Da kommt mir der Globke entgegen und sagt: ›Ach, Herr Beitz, jetzt fahren Sie ja in unserem Auftrag nach Warschau, sagen Sie doch den Polen, wie sehr auch ich für eine Verbesserung der Beziehungen bin.‹ Der war ja ein alter Nazi und wollte die Gelegenheit nutzen, auch im Osten zu punkten.« Kanzleramtsminister Hans Globke ist als juristischer Kommentator der Nürnberger Rassegesetze von 1935 die peinlichste und umstrittenste Besetzung im Kabinett Adenauer, aber der Alte hält eisern an ihm fest.
    Der Besuch in Warschau löst ein erhebliches Presseecho aus; Beitz erhält auch viele böse Briefe, zum Beispiel den eines Vertriebenen aus Breslau, der ihm vorwirft, »den roten Osten in seiner Kriegsindustrie indirekt [zu] unterstützen«.
    Beitz erfährt aber durchaus auch Zustimmung. So schreibt ihm der Bundestagsabgeordnete Ferdinand Friedensburg, ein kluger alter Nazigegner und Mitbegründer der CDU : »Lassen Sie es sich nicht verdrießen, wenn die Kritik auch gerade an Ihrer persönlichen Initiative geübt wird. Die Befriedung unseres Erdteils und die Wiederherstellung unseres geteilten Landes wird ja nicht mit einer genialen Sensation zu erreichen sein, sondern durch ein mühsames und sorgfältiges Aneinanderführen einzelner Mosaiksteinchen. Sie haben von diesen Steinchen ein besonders wichtiges legen dürfen.«
    Beitz wird weiter solche Steinchen legen, wenngleich nicht mehr in politischem Auftrag. Davon hat er seit der gescheiterten Warschau-Mission genug. Im folgenden Frühjahr, 1962, trifft er im »Essener Hof« den Zeit -Reporter Reinhart Holl. Beitz, so stellt der Journalist fest, »ist natürlich ein Mann ohne Zeit. Also fand unser Gespräch bei Lady Curzon, Seezunge, Fruchtsalat, Mokka statt«, ein schnelles Arbeitsessen zwischen zwei Terminen. Ohne die Hauptspeise anzurühren, soll der Generalbevollmächtigte in eine Suada des Zorns ausgebrochen sein. »Die Bonner Haltung gegenüber Polen ist eine Kette von verpassten Chancen«, schimpft er. »Ich fahre für Bonn nicht wieder nach Polen. Ich denke nicht daran, Türen zu öffnen, die dann achtlos und dumm wieder zugeworfen werden.«
    Freilich hat Beitz mit der polnischen Mission auch eigene Interessen verfolgt. Am 13. Februar 1961 schreibt er an Alfried Krupp: »Der Polenrummel hat sich inzwischen gelegt. Ich war ein zweites Mal im Auftrage von Adenauer in Warschau und habe dann offiziell meine Demission als ›Sonderbotschafter‹ eingereicht. Herr Adenauer hat sich bei mir bedankt und hat auch dem Kabinett zum Ausdruck gebracht, daß er mit meiner Arbeit sehr zufrieden gewesen wäre. Ich habe die berechtigte Hoffnung, daß die ganze Aktion unseren ›Aufhebungsbemühungen‹ sehr förderlich gewesen ist.«
    Das wirft ein interessantes Licht auf die Sache. Beitz hat also jenseits aller hehren Motive auch einen Vorteil für Krupp aus der Warschau-Mission ziehen wollen, nämlich ein Entgegenkommen Bonns beim Ringen um eine Aufhebung der alliierten Verkaufsauflage. Auch für Adenauer hat die an sich gescheiterte Visite Vorteile gebracht, demonstrierte er damit doch dem Favoriten für die US -Präsidentschaftswahl im November 1960, John F. Kennedy, guten Willen in der Ostpolitik und vor allem gegenüber Polen. In den USA haben die Polen von jeher gute Freunde, viele Amerikaner haben polnische Wurzeln, und im Wahlkampf hat Kennedy diese Gruppe sehr umworben. Nach 1945 ist ein großes Unbehagen darüber zurückgeblieben, dass man das Land, zu dessen Rettung England und Frankreich 1939 in den Krieg eingetreten sind, am Ende in stalinistischer Unterdrückung zurückgelassen hat. Bald nach Beitz’ Rückkehr aus Warschau trifft Außenminister Heinrich von Brentano am 17. Februar 1961 in den USA den inzwischen gewählten Kennedy, und der fragt rundheraus, »ob die Initiative zu den Gesprächen von Beitz vom Kanzler oder vom Minister ausgegangen sei oder von diesem selbst«, wie es in einem von dem polnischen Autor Krzysztof Ruchniewicz überlieferten

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