Berthold Beitz (German Edition)
beschließt die Kommission in Jerusalem, Berthold Beitz zum »Gerechten unter den Völkern« zu ernennen.
Fritz Hildebrand dagegen sitzt noch sieben Jahre ein, ehe er 1974, nunmehr 72 Jahre alt, aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen wird. Er schreibt dann an Berthold Beitz:
Sehr geehrter Herr Beitz,
ich weiß nicht, ob Sie sich an meine Person noch erinnern … Seit einigen Monaten habe ich nun meine Freiheit wiedererhalten. Nach Bremen bin ich nicht zurückgekehrt, sondern habe mich in Detmold-Hildern niedergelassen, um dort meine letzten Jahre in Ruhe und Freiheit zu verbringen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich es nicht versäumen, Ihnen meinen aufrichtigsten Dank für Ihre Einstellung beim Gericht auszusprechen.
Beitz antwortet ihm:
Sehr geehrter Herr Hildebrand!
Ich freue mich, daß Sie Ihre Freiheit wiedererhalten haben, und hoffe, daß Sie in Detmold einen ruhigen Lebensabend verbringen können.
Es war selbstverständlich, daß ich damals in Bremen nur das ausgesagt habe, was ich wußte und dachte.
Es ist dies der Epilog zu einer ungewöhnlichen, vom Schicksal diktierten Beziehung. Es hatte zwei Männer in einer Situation zusammengeführt, die in manchen Menschen das Beste und in anderen das Schlechteste weckt.
»Einmal sehen ist besser als hundertmal hören«:
Von Essen um die Welt
BRANDTS KNIEFALL IN WARSCHAU:
BERTHOLD BEITZ UND DIE ENTSPANNUNGSPOLITIK
Es liegt eine Ahnung in der Luft, eine Ahnung vom Wandel. So empfindet Willy Brandt, Regierender Bürgermeister Westberlins, die Zeit nach seiner Wahl zum SPD -Vorsitzenden 1964. Noch gilt Berlin als »Frontstadt«, und doch weichen die Fronten langsam auf. In der Ostberliner Botschaft der UdSSR trifft Brandt bei einem Abendessen den berühmten Cellisten Mstislaw Rostropowitsch und fühlt sich wie unter Freunden. Kommen Sie uns doch einmal besuchen, sagt Botschafter Pjotr Abrassimow zu Brandt, es gibt so viel zu besprechen über das Verhältnis unserer Staaten. Brandt lehnt nicht ab. Konkretere Formen nimmt die Einladung dann im Herbst 1965 an, und zwar im Hause von Berthold Beitz.
Dort ist häufig Andrej Smirnow zu Gast, Vertreter des Kreml in Bonn. Eines Abends lädt Beitz Brandt dazu ein. Er kennt den Sozialdemokraten bereits aus Berlin, wo sie in dem einen oder anderen Fall frustrierender Versuche von deutsch-deutschen Familienzusammenführungen miteinander zu tun gehabt haben. Einmal gab es Probleme mit der Wasserversorgung in der geteilten Stadt. Beitz fuhr auf Bitten Egon Bahrs nach Ostberlin zu DDR -Handelsminister Rau und bereitete Gespräche beider Seiten zur Lösung der Sache vor. Jetzt, im Herbst 1965 und kurz vor der Bundestagswahl, sitzt er mit Brandt und Smirnow im heimischen Wohnzimmer, und der Russe erneuert die Einladung, der SPD -Vorsitzende möge doch einmal nach Moskau reisen; er preist sogar schöne Quartiere, in denen Brandt sich wohlfühlen werde.
Beitz ist aus Smirnows Sicht auch deshalb der geeignete Moderator, weil der Russe zuletzt nicht selten mit dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft gehadert hat, der nach Smirnows Meinung zu viel Rücksichten auf Bonn nehme. Beitz aber hält sich von dem Verband bekanntlich fern.
Unter Kanzler Erhard und Außenminister Gerhard Schröder hat sich die Bonner Ostpolitik zwar ein wenig bewegt, wegen des Festhaltens an der Hallstein-Doktrin aber zu wenig aus Sicht Moskaus. Mehr versprechen sich die Russen von Brandt. Nach wie vor gibt es keine Anerkennung der Nachkriegsgrenzen durch Bonn, keine diplomatischen Beziehungen in den Ostblock mit Ausnahme Moskaus, keine Schritte zur Versöhnung, geschweige denn zum Eingeständnis deutscher Schuld, die doch erst zu Vertreibung und Gebietsverlusten geführt hatte. 1965 fordert die Evangelische Kirche in ihrer Ostdenkschrift, was Beitz schon immer verlangt hatte: eine neue Ostpolitik, die sich nicht darin erschöpfe, einen aussichtslosen »Rechtsstandpunkt starr und einseitig zu betonen«.
»Wandel durch Annäherung« – den Begriff prägt Egon Bahr – ist das politische Gegenkonzept zur frucht- und erfolglosen Ostpolitik der CDU -Kanzler und entspricht genau Beitz’ Mission in Osteuropa, geht es dabei doch im Kern um politischen Wandel durch ökonomische Annäherung. Brandts Griff nach der Kanzlerschaft scheitert im September 1965 zunächst, als Erhard die Bundestagswahlen gewinnt. Doch schon im folgenden Jahr kommt es zur Großen Koalition von Union und SPD , und Beitz gründet bei Krupp demonstrativ eine eigene
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