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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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vermeiden, dass der geplante Ausgleich mit Warschau einen innenpolitischen Proteststurm entfacht, vor allem bei der Union und den Vertriebenenverbänden, und dass sich Leonid Breschnew, der Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU , dadurch vor den Kopf gestoßen fühlt.
    Berthold Beitz landet am Dreikönigstag 1970 mit einer Privatmaschine auf dem Warschauer Flughafen. Wie immer steht Cyrankiewicz’ Tür dem Freund aus dem Westen weit offen; der überreicht ihm den Brief des Kanzlers und versichert ihm, dass die Gespräche zwischen Bonn und Warschau nicht nur wirtschaftliche Fragen betreffen, sondern »gemeinsam mit den politischen behandelt werden«. Erfreut erwidert der Ministerpräsident, er werde Brandt binnen einer Woche antworten, und er bittet Rakowski, das entsprechende Schreiben zu formulieren. Die Antwort ist selbstredend sehr positiv. Die Polen werden warten, wenngleich die »Anerkennung der Oder-Neiße-Linie« laut Rakowski Polens »Bedingung für die Normalisierung der Beziehungen« sei. Sonst erfährt auch in Warschau niemand etwas davon. Cyrankiewicz ermahnt Rakowski noch, die Sache sei so geheim, »darüber darfst du nur deinem Hund etwas sagen«.
    Die neue Ostpolitik bringt die CDU / CSU -Opposition in die Defensive. Die Union reagiert mit einer Nein-Haltung, die sie weit hinter die eigenen Einsichten der Ära Schröder zurückwirft und die mit dem konstruktiven Misstrauensvotum von Rainer Barzel 1972 sowie bei den folgenden Bundestagswahlen schließlich spektakulär scheitern wird. Umso schwerer haben es die fortschrittlichen Christdemokraten, die es ja auch gibt, unter ihnen Richard von Weizsäcker, Walther Leisler Kiep und Erik Blumenfeld, Berthold Beitz’ alter Freund aus Hamburg. Blumenfeld schreibt ihm nach Essen, es gebe auch in der Union eine »vernunftbezogene« Gruppe, und er unterstützt Beitz’ Haltung: »Laß mich noch einmal – was Polen anlangt – meine Meinung dahingehend präzisieren, daß wir gegenüber Polen eine moralisch-politische Hypothek abzubauen haben.«
    Der erste große Durchbruch zur Entspannung ist dann der deutsch-sowjetische Vertrag vom 12. August 1970, ausgehandelt im Wesentlichen von Egon Bahr, unterzeichnet von Brandt und FDP -Außenminister Walter Scheel. Er bestätigt den Status quo, Gewaltverzicht und Anerkennung der bestehenden Grenzen. »Für die Bundesrepublik«, schrieb später der Publizist Peter Bender, »wurde der Moskauer Vertrag zum Tor nach Osteuropa. Er ermöglichte alles, was ihr später östlich der Elbe gelang.«
    Schon für die russische Mission hätte Brandt den Krupp-Mann gern gewonnen. Auf seine Bitte begleitet Beitz im September 1970 Wissenschaftsminister Hans Leussink auf einer Moskau-Reise. Als er auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo eintrifft, sagt er den deutschen Journalisten nicht ohne erkennbare Genugtuung: »Es ist schon eigenartig. Ein Kanzler hat mich wegen meiner Ostbeziehungen für politisch unzuverlässig erklärt, der andere schickt mich nach Rußland.« 1971 wird er ein Angebot des Kanzlers ablehnen, Regierungsbeauftragter für deutsch-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen und Mitglied der gemeinsamen Wirtschaftskommission zu werden. »Ich bin«, schreibt er an Brandt, »überzeugt, daß ich unserem gemeinsamen Anliegen und den Interessen unseres Landes auch auf andere Weise dienen kann.«
    Erst durch die Zustimmung der östlichen Supermacht wird die eigentliche Entspannungspolitik möglich. Und mit keinem anderen Land, außer der DDR , ist Entspannung so überfällig wie mit Polen. Deshalb hat Brandt auch Beitz eingeladen, ihn auf seiner Warschau-Reise zu begleiten, da er »den Wunsch weiter Kreise der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, zu einem Ausgleich mit dem polnischen Volk zu kommen«, verkörpere. An einem kalten Dezembertag 1970 landet die Delegation aus Deutschland in Warschau. Neben Brandt, Bahr und Scheel sind die Schriftsteller Siegfried Lenz und Günter Grass dabei, WDR -Intendant Klaus von Bismarck und Stern -Chef Henri Nannen, Otto Wolff von Amerongen und Berthold Beitz. Ministerpräsident Cyrankiewicz empfängt Brandt am Flugzeug, die Ehrengarde der polnischen Armee salutiert, über dem Flughafen erklingt, erstmals seit sehr vielen Jahren, die deutsche Nationalhymne. Chefredakteur Rakowski, der an der Zeremonie teilnimmt, hat Tränen in den Augen. Er wird, das fühlt er, »Zeuge eines historischen Ereignisses«.
    Am folgenden Tag, dem 7. Dezember 1970, fällt Willy Brandt vor dem Denkmal

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