Berthold Beitz (German Edition)
Konkurrenten, dessen Boss Rohwedder Beitz 1988 noch den wohlmeinenden Rat gegeben hat, sich doch endlich zurückzuziehen. Rohwedder selbst, der 1990 die Leitung der Treuhandgesellschaft zur Privatisierung der DDR -Staatsbetriebe übernommen hat, wird später ermordet, vermutlich, wie Herrhausen, ein Opfer der RAF , obwohl beide Morde nicht endgültig aufgeklärt werden. 1991 erschießt ihn ein Heckenschütze durch ein Fenster seines Hauses. Hoesch jedenfalls fällt durch einen Coup an Krupp, den Cromme mit Beitz’ voller Rückendeckung geschickt vorbereitet hat. Kurz vor Weihnachten 1991 teilt die Fried. Krupp GmbH einer überraschten Öffentlichkeit und einer noch überraschteren Hoesch-Unternehmensspitze mit, dass man nunmehr über 51 Prozent der Aktienanteile des Dortmunder Unternehmens verfüge. Es ist eine klassische »feindliche Übernahme«: Mit Hilfe der Schweizerischen Kreditanstalt hat Cromme heimlich ausreichend Aktien der Gegenseite erstanden. Der neue Konzern Krupp-Hoesch hat 110 000 Beschäftigte und 33 Milliarden Mark Gesamtumsatz. »Herr Beitz«, erklärt Cromme heute, »hat das alles mitgemacht. Durch die Fusion ist der Anteil der Krupp-Stiftung am Unternehmen ja auf 51 Prozent gesunken. Das war nicht leicht für ihn. Aber er war immer dafür, sinnvolle Veränderungen zu akzeptieren.«
Wie bei jemandem wie Cromme kaum anders zu erwarten, mobilisiert die gewerkschaftlich bestens organisierte Hoesch-Belegschaft ihr Protestpotenzial gegen den Krupp-Chef und »das Diktat der Banken«. Hoesch ist ein 120 Jahre altes Traditionsunternehmen. Doch es wird geschluckt – und Krupp wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, ein gewaltiger Schritt, den Alfried Krupp stets abgelehnt hatte. Zur Stiftung und dem Iran kommen nun die ehemaligen Hoesch-Aktionäre hinzu. Hatte nicht Alfred Krupp einst bemerkt, bei ihm warteten »keine Actionärs auf die Dividende«? Er sah dies, so der Essener Journalist Frank Stenglein, »als einen unbedingten Vorteil für das Gedeihen der Firma. Nun warten sie also doch, allerdings vorerst vergeblich. Denn mit Recht hatte Cromme schwere Zeiten prophezeit.«
Letztlich aber, so lautet bald die Meinung von Experten, entspreche die Fusion »der industriellen Logik«: Nicht Masse, sondern Qualität ist künftig gefragt, und konkurrenzfähig bleibt nur ein Konzern, der im globalen Wettbewerb, der nach 1989 um ein Vielfaches an Schärfe zunimmt, groß genug ist. Wie sich wenig später zeigen wird, ist die Übernahme von Hoesch nur der erste Schritt auf diesem Weg, der den Konzern wieder weit nach oben führen wird.
»Das bauen wir alleine«: Förderer und Geehrter
Es ist einer jener offiziellen Anlässe, bei denen viele Menschen zusammenkommen und gelassen tun, obwohl jeder für sich denkt: Hoffentlich geht alles gut. Nicht anders ist es an diesem Vormittag, als Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß, sein Vorgänger Wolfgang Reiniger, Museumsdirektor Hartwig Fischer, seine Vertreterin Ute Eskildsen, Architekt David Chipperfield und sein Design-Direktor Alexander Schwarz sowie viele andere in der großen Eingangshalle des Museums Folkwang stehen und der Small Talk noch ein wenig angespannt wirkt. Das Museum ist bereit zur Vorbesichtigung, noch ohne Bilder, die Sonne durchstrahlt die hellen Räume, als leuchte das Haus von innen heraus. Da tritt von draußen ein alter Herr hinzu. Er ist am besten angezogen – er trägt einen handgenähten Nadelstreifenanzug mit rosafarbenem Brusttuch –, charmant zu den begleitenden Damen, heiter und locker: Berthold Beitz. Er ist jetzt 96 Jahre alt und hat noch immer die Gabe, Verkrampfungen und Peinlichkeiten wie durch einen Zauberspruch aus jeder Runde verschwinden zu lassen.
Parlierend geht Beitz nun mit der Gruppe durch die Räume, erzählt hier von seinem Freund Otto Steinert, dessen Fotos hier ausgestellt sind, klopft dort jemandem freundlich auf die Schulter und nimmt schließlich Platz auf einer Sitzbank, einem sorgsam inszenierten Ruhepunkt, von dem aus freilich weniger hohe Kunst als vielmehr der tosende Verkehr draußen auf der vielspurigen Goethestraße zu erblicken ist. Beitz lacht: »Das hier ist der Sitz für alle, die noch nie ein Auto gesehen haben.«
Der Bau des neuen Folkwang-Museums ist die Krönung von Beitz’ Werk als Herr der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, nie zuvor hat sie für ein einzelnes Projekt so viel Geld ausgegeben: 55 Millionen Euro. Zuvor hat es, wie bei solchen Bauvorhaben üblich, ein zähes
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