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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Grunde aber traut Beitz Scheider nicht mehr zu, Krupp zu modernisieren. Als Vorsitzender der Stiftung bekommt er außerdem die Finanzmisere zu spüren, denn die Dividende fällt wenig üppig aus. Als deutlicher Misstrauensbeweis gilt Insidern zudem ein Schachzug von Beitz, der mit Jürgen Rossberg einen seiner Getreuen aus der Stiftung in den Vorstand holt. Im Juni 1988, erstmals seit langem, macht der iranische Anteilseigner wieder auf sich aufmerksam, und zwar mit einem Paukenschlag: Navab-Motlagh, der Vertreter im Aufsichtsrat, verweigert Scheider die routinemäßige Entlastung für das zurückliegende Geschäftsjahr. »Was muß eigentlich noch passieren«, fragt der Iraner, der mit Beitz immer gut gekonnt hat, »bis Krupp einmal wieder Geld verdient?« Die Abstimmung über den Vorstand wird daraufhin hastig vertagt.
    Personalgerüchte kursieren, für den Konzern sind sie wie lähmendes Gift. Seit 1967 haben Krupp und damit Beitz nicht mehr eine so schlechte Presse gehabt. Nicht ohne Häme schreibt der Spiegel : »Vorstandschef Wilhelm Scheider hat die Wende zum Besseren nicht geschafft. Mögliche Nachfolger wollen nicht kommen, solange Beitz im Amt ist. Es ist fast eine Posse: Die fällige Ablösung Scheiders ist nicht möglich, weil der starrsinnige Patriarch an seinem Posten hängt.«
    Zu den Ersten, die dem 75-Jährigen offen den Rücktritt nahelegen, gehört schon im Sommer 1988 Detlev Karsten Rohwedder, der Vorstandsvorsitzende des Hoesch-Konzerns, der ein Angebot von Beitz abgelehnt hat, Nachfolger Scheiders zu werden. Er schreibt ihm: »Sie würden den Problemen nicht gerecht, wenn Sie sich darauf beschränkten, einen Nachfolger von Herrn Scheider zu suchen.« Im Klartext: Beitz soll endlich loslassen. »Den für die äußerst schwierige Aufgabe, Krupp die Unabhängigkeit zurückzugeben, geeigneten Mann finden Sie nur, wenn Sie ihm die größtmögliche Unabhängigkeit für seine Arbeit geben … Krupp ist in einer Lage, in der Sie mit Ihrer eigenen Person das Zeichen setzen müssen. Noch haben Sie es in der Hand.« Beitz soll sich also vom Vorsitz des Aufsichtsrates zurückziehen, solange er das aus eigenen Stücken tun kann.
    Beitz schwankt eine Weile, doch auf keinen Fall will er vor Scheider gehen, denn das sähe aus wie ein Schuldbekenntnis. Andererseits: Mehr und mehr läuft der Vorsitzende des Aufsichtsrats Gefahr, nur noch wie ein Getriebener zu wirken. Sogar im eigenen Aufsichtsrat verliert er Rückhalt: Wolfgang Röller, Chef der Krupp’schen Hausbank Dresdner Bank, Daimler-Vize Werner Niefer und Rudolf von Bennigsen-Foerder, Vorsitzender der Veba, stellen Beitz ein Ultimatum. Entweder er tritt ab – oder sie gehen. Damit wäre Beitz, der dank der Arbeitnehmervertreter stets Mehrheiten im Aufsichtsrat gewinnen würde, nicht gestürzt, aber öffentlich als Schuldiger am Krupp-Debakel angeprangert. In dieser misslichen Lage rettet ihn der Vorschlag des Thyssen-Vorstands Dieter Spethmann, Krupp einfach aufzukaufen. Beitz lehnt unter Berufung auf Alfried Krupps Erbe zwar ab, aber im folgenden Sturm interner Debatten ist das Ultimatum der drei Wirtschaftsführer plötzlich kein Thema mehr. Gerade die Dresdner Bank muss sich hinter ihn stellen, da Thyssen den Kauf mit Hilfe des größeren Konkurrenten Deutsche Bank finanziert hätte. Ende 1988 verlässt aber Bennigsen-Foerder ostentativ das Gremium.
    Dann aber ist es plötzlich doch so weit. Ganz unspektakulär kündigt Berthold Beitz in der Aufsichtsratssitzung am 7. Dezember 1988 seinen Rücktritt für die Mitte des folgenden Jahres an. Die Firmenzeitschrift widmet dem Ereignis drei Sätze, so als sei es die normalste Sache der Welt. Nach mehr als dreißig Jahren verlässt Beitz also den Aufsichtsrat, dem er von der ersten Stunde an angehört hat – zunächst, 1967, als Vize, dann, nach der Entmachtung von Abs 1970, als Vorsitzender. Das sieht nach einer Epochenwende aus, dem großen Schnitt, jenem Ende seiner Herrschaft, das seine Kritiker ja auch herbeiführen wollten.
    Ungeachtet aller Nachrufe aber lautet die schlichte Wahrheit: Es gibt gar keine Epochenwende und kein Ende seiner Herrschaft. Im Gegenteil wächst der Nimbus des Patriarchen nur: Der Rücktritt ist ein geschickter Schachzug von Beitz zur Auflösung einer verfahrenen Konstellation. Trocken notiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung : »Beitz hat sich damit keineswegs entmachtet, sondern ist wieder handlungsfähig geworden.« Den Misslichkeiten des Firmenalltags und den hysterischen

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