Berthold Beitz (German Edition)
Personalspekulationen in Aufsichtsräten und Leitartikeln entrückt, aber faktisch auf Lebenszeit Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, vertritt er weiterhin, von den Iranern einmal abgesehen, den Alleinbesitzer der »Firma«, nämlich 74,99 Prozent der Anteile. Und das bedeutet: Auch weiterhin führt kein Weg an ihm vorbei.
Der scheinbare Rückzug erlaubt es Beitz darüber hinaus, seine Bataillone weit besser aufzustellen, als dies zuvor möglich gewesen war. Denn ehe er dann wirklich geht, ersetzt er noch den ungeliebten Scheider durch seinen besten, jedenfalls getreuesten Mann: Gerhard Cromme wird Mitte 1989 neuer Vorstandsvorsitzender von Krupp. Um das zu erreichen, scheut Beitz auch eine veritable Kraftprobe mit seinen alten Freunden aus den Gewerkschaften nicht, über die er sonst sagt: »Meine Truppen stehen links!« Unter den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat gibt es zunächst Widerstand gegen den »Jobkiller« von Rheinhausen. Beim ersten Schritt von Crommes Aufstieg, der Aufnahme des Stahlchefs in den noch von Scheider geleiteten Vorstand des Gesamtkonzerns im Dezember 1988, nur ein Jahr nach Rheinhausen, meutern sie bei einer Krisensitzung im Parkhaus Hügel, einem schönen Traditionsrestaurant am Baldeneysee unterhalb der Villa Hügel. Beitz macht deutlich, dass die Personalie Cromme für ihn nicht verhandelbar sei. Er stellt sich vor seinen Mann. Jede Ablehnung wäre damit eine offene Kampfansage an Beitz selbst. Am Ende wird Cromme bei nur einer Stimme Enthaltung – dem Verantwortlichen für Rheinhausen – in den Vorstand gewählt, dessen Vorsitz er dann schon ein halbes Jahr später übernehmen wird. Cromme sagt heute dazu: »Berthold Beitz hat das im Hintergrund durchgesetzt. Ich bin heute noch stolz darauf, dass es keine Gegenstimme gab – das zeigt aber auch die Art, wie Herr Beitz die Arbeitnehmer mit einnimmt.«
Anfang 1989 sieht es eine Weile so aus, als würde einer der profiliertesten Manager des Landes, der Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen, Beitz’ Nachfolger als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Das lehnen aber gleich zwei Banken ab: die Dresdner, dem Hause Krupp eng verbunden, und die Deutsche, wo man die Zusatzbelastung für den Spitzenmann nicht hinnehmen will. So wird nichts daraus.
Alfred Herrhausen wird dann am 30. November desselben Jahres durch ein Bombenattentat von RAF -Terroristen ermordet. Statt seiner tritt schließlich das Aufsichtsratmitglied Manfred Lennings die Nachfolge von Beitz an, der frühere Vorsitzende der Gutehoffnungshütte in Oberhausen. Der erfahrene Industriemanager ist keine so prominente Besetzung, wie es Herrhausen gewesen wäre, aber ein exzellenter Fachmann und nebenbei ein Hobbysegler, über den die FAZ schreibt: »Lennings wird das Ruder des Schiffes nur in dem mittelbaren Sinne führen dürfen, wie das ein Reeder tut; die eigentliche Führung muß beim Kapitän liegen, und das ist der Vorstandsvorsitzende. Aber um das zu wissen, kennt sich Lennings in der christlichen Seefahrt hinreichend aus.« Zu den neuen Aufsichtsräten gehört auch Friedel Neuber, der mächtige Boss der West LB . Beitz selbst verlässt das Gremium mit dem Titel des Ehrenvorsitzenden.
Mag sich Beitz nun, in der Wendezeit, noch so intensiv seinen Stiftungsprojekten in Ostdeutschland widmen: An seinem Arbeitsalltag ändert sich nichts. Jede Ankündigung, er wolle einmal kürzertreten, bleibt – eine Ankündigung. Tatsächlich wird Berthold Beitz die Ära Cromme, die mit der Schließung der Rheinhausener Hütte so dramatisch begonnen hat, ganz wesentlich mitprägen. Es ist eine Ära des Wiederaufstiegs, wie ihn 1988, ähnlich wie 1967, nur wenige für möglich gehalten hätten.
Gewiss, die durch den Aufbau Ost belebte Konjunktur hilft zunächst kräftig mit. Aber es sind auch kühne Unternehmensentscheidungen, die den Herbst des Patriarchen bestimmen, und mit Cromme hat Beitz den Mann gefunden, der die Sanierung des Konzerns entschlossen fortsetzt. Cromme weigert sich selbst im kurzen Stahlboom der frühen neunziger Jahre, den Standort Rheinhausen doch zu erhalten. So zerstört er alle Hoffnungen, die sich dort ausgebreitet hatten, und treibt Helmut Laakmann, den alten Widersacher, in die letzten verzweifelten Rückzugsgefechte. Aber langfristig ist die Entscheidung richtig. Die Konjunktur wird wieder abreißen, der Stahl wieder kriseln, und die alten Probleme der Überkapazität wären die neuen gewesen.
Weit wichtiger ist die Übernahme von Hoesch in Dortmund, also jenes
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