Berthold Beitz (German Edition)
und jahrelanges Hin und Her zwischen Bund, Land und Stadt über die Zukunft des Museums gegeben – bis an einem Sommertag 2006 in Kampen die Entscheidung fiel. Berthold Beitz, 92 Jahre alt, geht morgens am Strand spazieren. Er ist in Gedanken, als er in sein Haus zurückkehrt. Im Garten sitzen Else Beitz und Tochter Susanne mit ihrem Mann. Und zu ihnen sagt er: »Wisst ihr was, ich habe mich entschlossen: Das bauen wir alleine.« Die Rede ist vom neuen Folkwang-Museum in Essen, das den maroden Vorgängerbau ersetzen soll. Kaum ist Beitz wieder daheim in Essen, ruft er sämtliche Kuratoren an: »Ruckzuck haben sie alle ja gesagt, und die Entscheidung stand.«
Und so klingelt zwei Tage später Hartwig Fischers Handy, und zwar in London, wo der neue Direktor des Folkwang-Museums gerade weilt. Beitz ist am Apparat: »Herr Fischer, kommen Sie bitte morgen in mein Büro, es könnte Sie interessieren.« Der neue Direktor des Folkwang-Museums fragt nicht lang, er fliegt heim. Anderntags eröffnet ihm Beitz in seinem Büro: »Ich wollte Ihnen sagen, dass das Kuratorium der Krupp-Stiftung sich entschlossen hat, den Neubau des Museums zu finanzieren. Wollen Sie mich jetzt zur Pressekonferenz begleiten?«
Direktor Fischer ist ein Mann von leiser Ironie, weshalb er dann, im Januar 2010, bei der Eröffnungsfeier des Museums Folkwang, in seiner Ansprache sagt, Beitz sei kein fordernder Geldgeber, sehe man von nur vier Bedingungen ab: Ein großer Architekt müsse gefunden werden, der Bau müsse spätestens 2010 fertig sein und mindestens 100 Jahre Bestand haben; und die Stadt Essen habe sich darum zu kümmern. Aber in Wirklichkeit ist, wie er sagt, »ein Traum wahr geworden, an den wir nicht zu glauben gewagt haben«. Essen ist ja, gleichsam in Vertretung des gesamten Ruhrgebiets, Kulturhauptstadt Europas 2010. Die Stadt könnte sich kein schöneres Geschenk wünschen. Das Museum geht zurück auf die 1902 gegründete Sammlung moderner Kunst von Karl Ernst Osthaus. Mit seinen Sammlungen etwa der klassischen Moderne, der Fotografie und Malerei nach 1945, mit Schätzen von Paul Cézanne, Franz Marc und Paul Gauguin sowie den tiefgründigen Fotografien Otto Steinerts gehört es zu den bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands. 2006 aber ist der große Anbau, obwohl erst 1983 errichtet, marode, eine Teilschließung steht bevor, und damit droht ein Desaster für das Kulturhauptstadts-Jahr.
Im Grunde hat sich auch Beitz einen alten Traum erfüllt, jenen, der 1963 mit dem Mies van der Rohe-Projekt gescheitert ist, nämlich in Essen ein helles, lichtes Werk moderner Baukunst zu schaffen: »Das ist auch ein Dankeschön an die Essener Bevölkerung. Essen hat durch Krupp ja auch vieles erlitten.« 1963 gelang das mit Mies van der Rohe nicht; von 2007 an baut nun der britische Stararchitekt David Chipperfield, Beitz’ Wunschkandidat, das Museum. »A fine old gentleman« sei Beitz, sagt Chipperfield, und er habe ihn und sein Team »in Ruhe arbeiten lassen. Aber ein solches finanzielles Engagement eines Stifters ist wirklich einmalig.« So entsteht ein Haus, in dem »Licht und Offenheit, aber auch Konzentration dominieren.« Beitz sagt, als er den Entwurf sieht, zu dem Briten, er betrachte ihn wie einen Sohn Mies van der Rohes.
An einem schönen Spätherbsttag 2009 ist es so weit. Chipperfields Leute haben den Termin und, nicht minder zur Freude des Stifters, den Kostenrahmen von 55 Millionen Euro eingehalten.
Es steht keine Beitz-Büste im Museum, nur eine zurückhaltende Inschrift in der Eingangshalle. Er ist auch nicht Ehrenmitglied des Museumsvereins geworden: »Das Museum ist kein Denkmal für mich, sondern für Krupp. Das ist ganz im Sinne von Alfried Krupp.« Als Stiftungschef fühlt sich Beitz direkt in der Tradition des Hauses Krupp. Alfred Krupp war es, der 1873 betont hatte: »Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein.« Das stammt natürlich aus einer fernen Zeit, als der vorausschauende Industrielle versuchte, die Arbeiterklasse durch soziale Leistungen von aufrührerischen Bestrebungen abzuhalten. Reichskanzler Otto von Bismarck hat es mit seiner Sozialpolitik bald danach nicht anders gemacht. Krupp war ein strenger Patriarch, der im Gegenzug Ergebenheit erwartete. Gleichwohl war es ein gewaltiger Fortschritt. Alfred Krupps soziale Seite trug sehr zu dem ausgeprägten Selbstwertgefühl der »Kruppianer« bei. Noch heute zeugt die Mustersiedlung Margarethenhöhe davon, eine freundliche Gartenstadt, durch die 1912 sogar Kaiser
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