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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Ölfabrik, zu Beitz ins Büro!«
    Sie rennen quer durch die Stadt, stürmen in das Verwaltungsgebäude der Karpathen-Öl, wo niemand sie aufhält, und finden Beitz’ Büro. Dort wartet Jitzhak Bander, sprachlos vor Glück. Er umarmt die Halbwüchsigen. Im Büro sitzt ein großer Mann in einem Anzug, Vater Bander küsst Janek und sagt: »Herr Direktor, da sind sie.« Berthold Beitz lächelt die beiden an, sagt einige beruhigende Worte und weist seine Mitarbeiter an, ihnen sofort ein »R« zu verschaffen, den lebensrettenden Wimpel aus Tuch. Fortan sind die Jungen, ungelernt und ohne jede Ahnung vom Ölbetrieb, unabkömmliche Arbeiter der deutschen Rüstungsindustrie.
    Wie konnte das geschehen? Janeks Vater hat sich, kaum dass er von der Verhaftung des Jungen erfuhr, unter Tränen direkt an Beitz gewandt: »Mein Sohn wurde verschleppt. Nur er ist mir geblieben, nur noch ein Kind habe ich. Wenn er in den Tod gehen muss, gehe ich mit ihm.« Beitz verspricht seinem Angestellten, nach dem Jungen zu forschen. Und wie er es gemacht hat, weiß Janek Bander aus den Erzählungen des Vaters heute noch: »Er hat Hildebrand angerufen.«
    TODESSPIEL: BEITZ UND DER SS-MANN
    Friedrich Hildebrand – geboren 1902 in Syke bei Bremen, Untersturmführer der SS , seit Juli 1943 Kommandant des Zwangsarbeiterlagers – ist ein typisches Produkt des Terrorapparats. Als kleiner kaufmännischer Angestellter mit abgebrochener Lehre tritt er schon 1931 der SS bei. 1939 wird er zur Waffen- SS einberufen, ohne aber jemals an der Front eingesetzt zu werden. Nach einer schweren Tuberkulose-Erkrankung rät ihm ein Arzt, statt zurück zur Truppe lieber ins Generalgouvernement zu gehen. Die Luft im besetzten Polen, so der Mediziner mehrdeutig, sei gesünder. Hildebrand dient sich dort hoch, ist 1942 dabei, als Gestapo und SS gewaltsam das Ghetto von Drohobycz zu räumen beginnen. In einem Gespräch mit dem Stabsführer Ost der SS bekennt er anschließend sogar, »ein Grauen habe ihn erfaßt«, aber »Befehl ist eben Befehl, da kann ich nichts dagegen machen«. Zum 1. Juli 1943 wird er von Katzmann persönlich zum Kommandanten der beiden Zwangsarbeiterlager Drohobycz und Boryslaw ernannt, und in Boryslaw trifft er Berthold Beitz, dessen jüdische Arbeiter dort interniert sind; es ist für beide eine schicksalhafte Begegnung.
    Der Untersturmführer, ein großgewachsener Mann, wird von den Insassen manchmal als »der schöne Hildebrand« bezeichnet. Sein Verhalten den Juden gegenüber ist von Beginn an zwiespältig und grenzt an Paranoia, es ist so zwiespältig wie sein ganzes Persönlichkeitsbild. Noch seinen Richtern wird auffallen, »daß sich Hildebrand als treusorgender Familienvater erwies«; obwohl »ihm seine Gattin energisch zusetzte«, weigerte er sich meist, »eine notwendig gewordene körperliche Züchtigung seiner Kinder auch auszuführen«. Er gilt als ruhig und ordentlich – und so übt er auch seinen Beruf aus, den des Mörders. Mal übt er Milde, mal ist er williger Vollstrecker. Einerseits gibt es ihm bekannte Menschen, die er bewusst schont. Andererseits geht Hildebrand noch als »Judenbeauftragter« in Katzmanns Stab bei den Aktionen in Drohobycz gnadenlos vor, etwa im Juni 1943, als er auf dem Hof der Keramischen Werke Frauen und Kinder antreten lässt. Eben noch wähnten diese sich in relativer Sicherheit, nun sehen sie den SS -Offizier, in der einen Hand eine Pistole, in der anderen eine Reitpeitsche. Er lässt die kleine Anita Eisenfuß den Händen ihres weinenden Vaters entreißen, sie gibt dem Vater ihren Mantel und sagt: »Nimm den Mantel, du kannst dir Brot dafür tauschen, ich gehe doch zu meiner Mutti!« Die Mutter ist bereits früher von den Deutschen erschossen worden. Zu einem 17-jährigen Mädchen sagt Hildebrand: »Du bist zu schwach zur Arbeit. Ich gebe dir eine leichtere im Himmelskommando.«
    Bei einer anderen Aktion in Drohobycz, am 12. Juni 1943, teilt er eine Jüdin namens Dornstrauch als arbeitsfähig ein, ihren vierjährigen Sohn Marius aber nicht. Weil die Mutter ihn nicht dazu bewegen kann, ihr das Kind zurückzugeben, geht sie mit diesem hinüber in die Gruppe der Todgeweihten, und als der Ehemann und Vater abends von der Zwangsarbeit heimkehrt, sind beide bereits tot. Bei derselben Aktion kommt es zu einer weiteren schrecklichen Szene. Hildebrand stellt sich vor die Frau eines Technikers, die mit ihren beiden Kindern angetreten ist: Eines dürfe sie behalten, sagt er, das andere nicht. Sie müsse sich

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