Bertrams Hotel
Gedächtnis zurückkommen – oder auch nicht. Vielleicht werde ich nie erfahren, was mir in diesen Tagen zugestoßen ist.« Die Lider fielen ihm zu. »Sie werden mich sicher entschuldigen. Ich glaube, ich bin ziemlich müde.«
»Jetzt ist’s aber wirklich genug«, erklärte Mrs McCrae, die sich in der Nähe der Tür aufgehalten hatte, bereit, dem Interview ein Ende zu machen, falls sie es für notwendig hielt. Sie ging auf die Besucher zu. »Der Arzt hat jede Aufregung verboten«, sagte sie mit fester Stimme.
Die Polizeibeamten standen auf und traten den Rückzug an. Wie ein gewissenhafter Schäferhund trieb Mrs McCrae die beiden auf den Korridor hinaus. Der Kanonikus murmelte etwas vor sich hin, und Chefinspektor Davy, der als Letzter durch die Tür ging, drehte sich blitzschnell um.
»Was sagten Sie da?«, fragte er, aber die Augen des Kanonikus waren jetzt geschlossen.
»Haben Sie gehört, was er sagte?«, fragte Campbell, als sie das Haus verließen. Mrs McCraes halbherziges Angebot, eine Erfrischung zu nehmen, hatten sie abgelehnt.
Vater sagte nachdenklich:
»Ich glaube, er murmelte so etwas wie ›die Mauern von Jericho‹.«
Am Ende dieser Expedition nach Chadminster fand ein kurzes, unersprießliches Gespräch mit Dr. Stokes statt.
Dr. Stokes war aggressiv, patzig und wenig entgegenkommend. »Ich kenne die Wheelings schon ziemlich lange. Es sind Nachbarn von mir. Sie hatten einen alten Mann von der Straße aufgelesen und wussten nicht, ob er sternhagelvoll oder krank war. Baten mich, einen Blick auf ihn zu werfen. Ich sagte ihnen, er sei nicht betrunken – es sei eine Gehirnerschütterung…«
»Und Sie haben ihn entsprechend behandelt?«
»Keineswegs. Ich habe ihn weder behandelt noch gepflegt und ihm auch nichts verordnet. Ich bin kein Arzt mehr – war mal einer, aber jetzt nicht mehr. Ich gab den Leuten den Rat, die Polizei anzurufen. Ob sie es getan haben oder nicht, weiß ich nicht. Geht mich ja auch nichts an. Sie sind ein bisschen dumm, alle beide – aber freundliche Leute.«
»Sie sind wohl nicht auf den Gedanken gekommen, die Polizei selbst anzurufen, wie?«
»Nein. Ich bin kein Arzt. Es war nicht meine Sache. Rein als Mensch habe ich ihnen geraten, dem Mann keinen Whisky in den Rachen zu gießen, ihn flach zu legen und ruhig zu halten bis zum Eintreffen der Polizei.«
Er blickte sie wütend an, und sie mussten es bei dieser Auskunft bewenden lassen.
19
M r Hoffman war ein großer, massiv wirkender Mann. Er machte den Eindruck, als wäre er aus Teakholz geschnitzt.
Sein Gesicht war so ausdruckslos, dass man alles dahinter vermuten konnte. Man fragte sich, ob ein solcher Mann überhaupt einer Gefühlsregung fähig war.
Er stand auf, verbeugte sich und streckte eine mächtige Pranke aus. »Chefinspektor Davy? Ich stehe Ihnen zur Verfügung. Was möchten Sie wissen?«
»Ich wollte Sie nur bitten, mir ein paar vertrauliche Informationen über Bertrams Hotel zu geben.«
Mr Hoffmann verzog keine Miene. Möglicherweise wurde seine Haltung noch eine Spur steifer als zuvor – das war aber auch alles.
»Bertrams Hotel?«, wiederholte er in fragendem Ton.
»Sie stehen zu diesem Hotel in einer gewissen Beziehung, nicht wahr, Mr Hoffman?«
Mr Hoffman zuckte die Achseln.
»Man hat so vielerlei Beziehungen«, sagte er. »Man kann sich nicht an alle erinnern. So viele Geschäfte – so viele – ich habe alle Hände voll zu tun.«
»Sie haben viele Eisen im Feuer, das weiß ich.«
»Ja, das stimmt«, sagte Mr Hoffman, und ein gezwungenes Lächeln glitt über seine Züge. »Sie glauben also, dass ich mit diesem – mit Bertrams Hotel in Verbindung stehe?«
»Verbindung ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. In Wirklichkeit besitzen Sie es, nicht wahr?«, bemerkte Vater jovial.
Diesmal erstarrte Mr Hoffman ganz offensichtlich.
»Nun, wer hat Ihnen das denn erzählt?«, sagte er leise.
»Es stimmt jedenfalls, ja?«, sagte Chefinspektor Davy in heiterem Ton. »Sehr schönes Besitztum, meiner Ansicht nach. In der Tat, Sie müssen stolz darauf sein.«
»O ja«, erwiderte Hoffman. »Im Augenblick – konnte ich mich nicht entsinnen – sehen Sie mal« – er lächelte verächtlich –, »ich habe so viele Liegenschaften in London. Eine gute Kapitalanlage – Immobilien. Wenn irgendetwas auf den Markt kommt, was meiner Meinung nach eine günstige Lage hat, und die Chance besteht, es billig zu ergattern, dann investiere ich.«
»Und war Bertrams Hotel auch ein solcher
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