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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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paar Dellen abbekommen hat.“
    Vielleicht hatte er ja recht. „Und du glaubst, dass du einer solchen Aufgabe gewachsen bist?“
    Eine nicht einzuordnende Emotion wirbelte für einen flüchtigen Moment durch seine Augen. „Ich stelle mich jeder Herausforderung, die du mir hinwirfst. Und allen anderen, an die du wahrscheinlich noch nicht einmal gedacht hast.“
    Ich lachte auf. „Die Familienähnlichkeit ist nicht zu übersehen.“
    Todd runzelte die Stirn. „Das ist nicht lustig.“
    „Ich weiß.“ Dieses Mal ging ich voraus. Fünf Meter vor der Hintertür blieben wir bei der akkurat geschnittenen Hecke stehen, die zwei Müllcontainer versteckte. Dahinter befand sich die graue Betonwand.
    „Bereit?“ Todd streckte mir die Hand hin, und ich nahm sie. Seine Handfläche war trocken, fühlte sich warm an, und ich versuchte krampfhaft, die Welle von Verwirrung und ungeahnten Möglichkeiten, die plötzlich über mich schwappte, zu ignorieren. Weder für das eine noch für das andere blieb Zeit. Und es hätte auch keinen Sinn …
    „Schließ die Augen“, flüsterte er, und ich gehorchte bereitwillig, denn ich würde garantiert nicht mit dem fertig werden können, was ich vielleicht in seinem Blick erkennen würde. Zumindest nicht jetzt. „Dann also los …“
    Das jähe Gefühl zu fallen ließ mir den Magen in die Knie rutschen. Reflexartig wollte ich mich an etwas festhalten, kämpfte jedoch gegen den Impuls an und klammerte mich stattdessen an Todds Hand, überrascht, wie warm und solide sie noch immer war, während mein Körper sich seltsam losgelöst anfühlte.
    Dann materialisierte sich die Welt um mich herum wieder, und ich spürte Boden unter den Füßen. Die Luft war kalt und erfüllt von dem typisch schalen Krankenhausgeruch nach abgestandenen Desinfektionsmitteln. Todd drückte kurz meine Hand, und ich öffnete die Augen.
    Und die Angst meiner Gegenwart vermischte sich schlagartig mit dem Horror meiner Vergangenheit.
    Nichts hatte sich geändert. Lakeside bot das gleiche Bild wie früher, es herrschte sogar noch die gleiche Atmosphäre.
    Wir standen vor dem Aufenthaltsraum, in dem die Patienten zusammenkamen, um zu essen, fernzusehen, Gesellschaftsspiele zu spielen. Hier wurden auch die Gruppensitzungen abgehalten. Die Schwesternstation lag nur wenige Meter davon entfernt, und der Frauenflügel begann gleich zu meiner Rechten. Am Ende dieses Korridors lag das Zimmer, in dem ich untergebracht gewesen war. Der perverse Drang, hinzugehen und nachzusehen, wer das Zimmer jetzt besetzte und ob ihre Wahnvorstellungen den meinen ähnelten, war fast übermächtig.
    Du bist nicht verrückt, Kaylee .
    Es war nötig, dass ich mich daran erinnerte, denn allein wieder hier zu sein reichte aus, um die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen zu lassen. Doch beim letzten Mal, als ich hier gewesen war, hatte ich noch nicht gewusst, dass ich eine Banshee war. Ich hatte Dinge gesehen, die niemand sonst sehen konnte … düstere Auren, die um andere Leute waberten, seltsame Nebel, durch die sich bizarre Kreaturen schlängelten. Ich hatte gegen den übermächtigen Drang zu schreien angekämpft und die Schlacht verloren, und diese Anfälle – damals dachte ich noch, es würde sich um Panikattacken handeln – hatten dazu geführt, dass ich in Lakeside gelandet war.
    „Weißt du überhaupt, in welchem Zimmer sie liegt?“, fragte Todd neben mir, und aus seiner normalen Lautstärke schloss ich, dass niemand ihn hören konnte. Da ich aber noch immer nicht überzeugt war, ob er das auch auf mich übertragen hatte, schüttelte ich nur stumm den Kopf. „Ich denke, du kannst ruhig reden“, sagte er auch prompt, und so fragte ich, immer noch sehr leise, ob er da sicher sei.
    Todd zuckte nur mit den Schultern. „Probier’s einfach aus. Selbst wenn dich jemand hören sollte, sehen können sie dich auf keinen Fall. Und ich gehe jede Wette ein, dass die Hälfte der Insassen hier sowieso Stimmen hört.“
    Nur hatte ich keine Lust, meine Stimme auch noch in den Topf für die Verrückten zu werfen.
    Der Korridor war leer, nur das Lachen aus dem Fernseher im Aufenthaltsraum schallte herüber und untermalte das Klappern des Plastikgeschirrs, das mir sagte, dass sich das Abendessen dem Ende näherte. Jeden Moment würden die Patienten aus dem Speisesaal herausströmen und sich den von den Ärzten zugelassenen Freizeitaktivitäten widmen. Nur würde das nichts ändern. Selbst Tonnen von Büchern, Puzzles oder

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