Beruehre meine Seele
privaten Privatlebens wurde.
Ich trat Nash in den Weg und legte ihm beschwichtigend die Hände auf die Brust, um ihn von Todd fernzuhalten. Doch Nash marschierte einfach weiter, und ich musste rückwärtsgehen.
„Wie wär’s mit ein bisschen Hilfe, Sabine?“, rief ich ihr über Nashs Schulter zu, doch sie verschränkte nur lässig die Arme vor der Brust.
„Ich glaube, diesmal halte ich mich dezent zurück.“ Ihre schwarzen Augen blitzten zufrieden, als wenn sie das mit Todd schon immer gewusst und nur auf eine solche Szene gewartet hätte.
„Nash, bitte, so beruhige dich doch“, bat ich leise. Am liebsten wäre ich im Boden versunken, ich wusste doch, dass die Mathe-Freaks uns hören konnten. Zwar wussten sie nicht genau, was passiert war, und sie kannten Todd auch nicht, aber die Gerüchteküche würde morgen überbrodeln. Morgen war Mittwoch. Nun, mit etwas Glück würde mein Tod am Donnerstag alle Gerüchte übertrumpfen. „Lass uns nach draußen gehen. Dort können wir reden.“
„Ist schon in Ordnung, Kaylee“, hörte ich Todd in meinem Rücken. Die Anspannung in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Lass ihn. Er ist zu Recht wütend.“
Nash blieb endlich stehen und sah über meinen Kopf zu seinem Bruder. „Erzähl du mir nicht, was ich fühlen kann oder nicht. Und rede gefälligst nicht mit ihr, als müsste sie auf dich hören. Du hast überhaupt nicht mit ihr zu reden, und erst recht hast du sie nicht zu küssen.“
Meine Wangen brannten vor Scham. So viel also dazu, dass der Mathe-Club nichts davon erfahren würde, was passiert war.
„Nash …“, versuchte ich, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Wir haben das nicht geplant.“
„Du vielleicht nicht, er schon“, presste er durch zusammengebissene Zähne hervor. Entweder war ihm klar geworden, dass wir Publikum hatten, oder ihm war die Kraft fürs Schreien ausgegangen. „Er hasst mich, weil ich noch lebe und er tot ist.“
„Du weißt ja nicht, was du da redest“, sagte Todd leise hinter mir. Ich drehte mich zu ihm um, erstaunt über das komplexe Netz von Emotionen in seinem Tonfall. Ich hatte Todd wütend erlebt, und in letzter Zeit erkannte ich noch ein anderes Gefühl, wann immer er mich ansah. Doch das hier war weder das eine noch das andere. Oder vielleicht war es auch beides. Schuld und Loyalität und Wut und Beschützerinstinkt und ungestüme, fürsorgliche Liebe waren so miteinander verwoben, dass sie nicht mehr auseinanderzuhalten waren, auch nicht mehr von ihm selbst.
Todd kämpfte mit mehr menschlichen Gefühlen, als ich je bei ihm oder einem anderen Reaper gesehen hatte, und für einen panischen Moment befürchtete ich, dass es zu viel für ihn werden könnte. Er war erst seit zwei Jahren tot, vielleicht schaffte er es nicht, das alles zu verarbeiten.
Ich war ja nicht einmal sicher, ob ich mit all dem fertig werden konnte.
„Von wegen!“, donnerte Nash. Ich sah zwischen den beiden hin und her, und nebenbei nahm ich auch noch wahr, dass unsere Zuschauer immer näher kamen. „Du willst mir Kaylee wegnehmen, damit ich mich genauso miserabel fühle wie du.“
„Verdammt, dann lass sie ihm doch!“, kam es von Sabine, und einige der Mathe-Freaks lachten. Nash und Todd jedoch reagierten überhaupt nicht darauf.
„Nash, hör zu.“ Ich wollte, dass seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich gerichtet war. „Es tut mir endlos leid. Aber dein Glück hängt nicht von mir ab.“ Sollte es zumindest nicht. Durfte es nicht, denn ganz gleich, wie dieses kleine Desaster hier ausging, in zwei Tagen würde er so oder so für immer ohne mich auskommen müssen. Ich musste sicher sein können, dass er damit umgehen konnte.
Mit gerunzelter Stirn sah er mich an. „Was soll das heißen? Ist es etwa das, was du willst?“ Er zeigte auf Todd. „Du willst ihn ?“
Ich öffnete den Mund, ohne einen einzigen Ton herauszubekommen. Was wollte ich? Machte es überhaupt noch einen Unterschied, was ich wollte?
„Entscheide dich, Kaylee“, forderte Nash, als ich nicht antwortete – nicht antworten konnte. „Er oder ich.“
Tränen brannten in meinen Augen, ich konnte kaum noch etwas sehen. Jeder starrte mich erwartungsvoll an. Und die meisten ahnten ja nicht, dass, unabhängig von meiner Entscheidung, in zwei Tagen sowieso alles vorbei wäre. Weshalb ich ja auch unbedingt dafür sorgen wollte, dass mit Nash alles in Ordnung war. Wir hatten viel zusammen durchgemacht, und mir lag wirklich viel an ihm.
Aber würde es nicht auch
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