Beruehrt
jammerte sie zerknirscht. »Nach euren Erzählungen habe ich ihn mir viel älter vorgestellt. Und … und hässlicher! Ist er denn wirklich so schlimm?«
»Nein, dass er sexy ist, hab ich dir von Anfang an gesagt«, widersprach Helen, während sie an einem ihrer Fingernägel knabberte.
Rachel schob die Unterlippe vor. »Oh, das macht mich wahnsinnig, warum meldet er sich nicht?«, heulte sie auf.
»Das wird er, aber erst kurz bevor du gar bist. Das gehört zu seiner Strategie«, erwiderte Helen nüchtern. »Dann wird er dich richtig heiß machen, abservieren und danach verschwinden – eventuell mit ein paar Wiederholungen, aber immer in derselben Reihenfolge: heiß machen, abservieren, verschwinden. Schätzchen, seine Beziehungen halten nie länger als drei Wochen – wenn man das dann überhaupt Beziehung nennen kann. Rette deine Haut, lass die Finger von ihm. Achtung! Wiederholte Warnung! Dies ist keine Übung! Raus aus dem Wald. Vergiss die Großmutter und lauf.«
»Hättest du das nicht vorher sagen können?«, brauste Rachel auf und schniefte. »Mir ist schlecht.« Sie schenkte den beiden inzwischen vollständig geleerten Schokoladenpackungen auf dem Wohnzimmertisch einen giftigen Blick.
»Die können auch nix dazu. Du hast eben nicht zugehört!«, schimpfte Helen und fügte sanfter hinzu. »Das tut nie eine. Er hat einfach ein Talent, Herzen zu brechen, weißt du.«
»Sag jetzt nicht, dass er das auch schon mal mit dir …?!«
Helen stellte die Teekanne auf den Tisch und lümmelte sich kopfschüttelnd neben Rachel aufs Sofa. »Bin nicht sein Beuteschema. Schade eigentlich.« Sie grinste.
»Oh, du …!«, sagte Rachel, wobei sie Helen scherzhaft in die Seite knuffte. Danach fügte sie leise hinzu: »So was ist mir noch nie passiert, weißt du?«
Helen nickte und tätschelte ihrer Freundin die Schulter.
»Dabei sieht er gar nicht aus wie ein Psychopath. Ich meine, so charmant, und dieses Lächeln … und die Haare … und …«
Helen unterbrach den erneuten Verzückungsrückfall ihrer Freundin. »Wenn man Psychopathen ihre dunklen Seiten ansehen würde, hätte man keine Probleme mit ihnen. Ich meine, erklär mir die Männer … Warum wollen zum Beispiel mir immer gleich alle Kerle an die Wäsche?« Selbstironisch und so schwungvoll, dass ihr Dekolleté zu wogen begann, streckte sie das Kreuz durch und zog ihren üppig gefüllten BH zurecht.
Rachel setzte zu einer behutsamen Erklärung an. »Na ja, weißt du …« Dann trafen sich ihre Blicke und sie mussten lachten. Beide seufzten aus vollem Herzen. Rachel schenkte Tee nach und beschloss, Grayson Wolf ganz schnell zu vergessen. Wahrscheinlich interpretierte sie auch viel zu viel in einen blöden Chauvi-Scherz hinein und das alles hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Sie sah sich selbst in einem Pulk hysterisch kreischender Mädchen in eine enge Blumenvase gequetscht. Mit nassen Füßen und nutzlosen Blätterarmen. Und ein überdimensionierter Grayson Wolf zupfte ihr die Blütenblätter aus, während er summte: »Ich krieg dich, ich krieg dich nicht. Du willst mich, du willst mich nicht. Ich hab dich, ich hab dich nicht.« Das war ja ein Albtagtraum! Sie schüttelte sich.
Draußen prasselte ein kräftiger Landregen herunter. Helen legte spontan eine schnulzige DVD ein, die Rachel noch nicht kannte. Als sie zwei Stunden später an ihre Wohnungstür kam, klemmte eine einzelne dunkle Rose an der Klinke. Aber keine Nachricht dazu.
Rachel wusste nicht, ob sie sich freuen, heulen oder zu Helen zurückrennen sollte. Da sie die Freundschaft nicht überstrapazieren wollte, entschied sie sich, joggen zu gehen. Sie konnte sich ja noch nicht mal sicher sein, von wem die Rose stammte. Energisch klappte sie den Mülleimer auf und ließ die Blume darin verschwinden. Nachdem sie sich ihre Sportsachen angezogen hatte und erneut an dem Treteimer vorbeikam, tat es ihr schon wieder leid. Das Pflänzchen konnte schließlich nichts dafür, dass Rachel beschlossen hatte, den Wolf schnellstmöglich abzuhaken. Also fischte sie die Rose heraus und stellte sie in eine Vase mit Wasser. Sie sah genau so aus wie die, die sie vor zwei Tagen im Park gemalt hatte. Und sie duftete betörend. Ob die Rose von demselben Busch stammte, vor dem Grayson sie so unverschämt geküsst hatte?
»Nein! Das muss aufhören!« Sie schlug so hart mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Vase einen Hüpfer machte und ihre Handfläche brannte.
Dann lief sie an den Strand, um endlich und ein
Weitere Kostenlose Bücher