Beruehrt
ehrlich.
»Verdammt! Hat man das bis auf den Flur gehört?« Verlegen nestelte Rachel an ihrem Ausschnitt herum. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.
»Das Haus ist ziemlich hellhörig«, grinste Caleb. »Ich dachte, du wüsstest das.« Abwartend beobachtete er sie. Rachel überlegte, was für peinliche Sachen Caleb wohl sonst noch so mitbekam.
»Was grinst du so?«, fragte sie rundheraus.
»Du hast eine schöne Stimme«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Warte mal«, meinte Rachel verdutzt. »Wolltest du sonst nichts?«
»Nein, nichts.« Caleb rümpfte die Nase. »Deine Pizza brennt an.«
»Ach du Scheiße!« Rachel knallte die Tür zu und sprintete zum Ofen, keine Sekunde zu früh. Als sie den goldbraun verlaufenen Käse beäugte, stutzte sie für einen Moment. Woher wusste Caleb eigentlich, was sie sich zu essen gemacht hatte? Den Ofen konnte man doch von der Tür aus gar nicht sehen? Na ja, vielleicht hatte er einfach einen guten Riecher. Rachels Magen knurrte heftig, von daher beschloss sie, nicht weiter darüber nachzudenken, und stürzte sich auf ihre Pizza.
In der Nacht hatte Rachel einen Albtraum. Sie sah sich darin die Treppe hinaufschleichen und vor Graysons Tür herumlungern und natürlich erwischte er sie mit der Nase im Briefkastenschlitz. In Begleitung von fünf Top-Models fragte er sie ziemlich herrisch, was ausgerechnet sie mit ihren Schokoladenhüften und dem kleinen Busen von ihm wolle.
Selbst nachdem Rachel sich ein Glas Wasser geholt hatte und auf der Toilette gewesen war, fühlte sie sich mies und erniedrigt. Fürs Erste war's das mit der Nachtruhe. Auf der Suche nach Ablenkung schweifte ihr Blick über das kleine Wandregal im Bad und blieb an den Nagellacken hängen. Sie überlegte einen Augenblick lang ernsthaft, sich spontan morgens um vier die Fußnägel zu lackieren und welche Farbe wohl Grayson am besten gefallen könnte. Doch dann schaltete sich endlich mal wieder ihr vernachlässigter Denkapparat ein. Nagellack, um einem Typen zu gefallen, der sie gegen ihren Willen am helllichten Tag im Park geküsst hatte? Sonst noch was? Rachel schickte einen Stoßseufzer gen Himmel, kletterte wieder ins Bett und schlief bis halb elf Uhr morgens.
Dummerweise schien ihr Nachbar von oben einen siebten Sinn dafür zu haben, dass Rachel ihn gerade aus ihrem Hirn verbannt hatte. Denn als sie am nächsten Vormittag von einem Strandausflug mit Helen nach Hause kam, saß jemand wartend vor ihrer Tür. Dieser Jemand hatte anscheinend nicht vor aufzustehen, obwohl sie schon direkt vor ihm stand.
»Hallo Rachel«, sagte er nur und lächelte sie umwerfend von unten herauf an. Dabei sah er müde und besorgt aus. Rachels Herz begann, wie wild zu klopfen.
»Bist du hingefallen und kommst allein nicht mehr hoch?«, fragte sie möglichst unbeeindruckt.
Er machte Anstalten, sich zu bewegen, blieb dann aber doch sitzen. »Und wenn es so wäre?«
»Würde ich über dich drübersteigen«, erklärte Rachel knapp und fischte ihren Schlüssel aus der Handtasche. Hoffentlich sah er nicht, dass ihre Hände zitterten.
»Sollten wir uns dazu nicht erst besser kennenlernen?«, fragte er und lächelte hintergründig. Rachel wurde dunkelrot und hielt in der Bewegung inne. Schon wieder so eine unverschämte Anspielung. Dummerweise hatte sie sich diese Vorlage auch noch selber zuzuschreiben.
»Du weißt genau, wie ich das gemeint habe«, schnauzte sie ihn an. Um in die Wohnung zu kommen, müsste sie tatsächlich über ihn hinwegklettern und ihm womöglich in mehrerlei Hinsicht unfreiwillige Einblicke gewähren. Errötend dachte sie daran, dass sie ein Kleid anhatte – und zwar ein recht kurzes.
Sie ließ ihre Tasche sinken. »Offiziell weiß ich übrigens noch nicht mal deinen Namen«, sagte sie etwas ruhiger.
»Ist das ein Friedensangebot?«
»Nein, eine Tatsache«, erklärte Rachel nüchtern und war stolz auf sich. Wenn ihre Schlagfertigkeit zurückkehrte, war das bestimmt ein gutes Zeichen.
»Hmm«, machte er und schien nachzudenken. »Könntest du dich zu mir setzen? Dann fällt es mir leichter.«
»Fällt dir was leichter?«
Er gab keine Antwort. Sein Gesicht war hinter seinen Händen verschwunden, die er wie zum Gebet vor der Stirn abstützte.
Rachel seufzte und tat ihm den Gefallen. Aber ihre Tasche stellte sie sicherheitshalber zwischen sich und ihren ungebetenen Gast. »Ich weiß überhaupt nicht, warum ich das mache!«
»Vielleicht weil du ein geradliniger Mensch bist und jemanden nicht nach
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