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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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Daumen in die Schlaufen ihrer Cargohose. Das kaschierte außerdem hoffentlich, dass ihre Hände leicht zitterten.
    »Ich dachte die Leibeigenschaft wäre in England seit einiger Zeit abgeschafft. Wer ist denn der Glückliche?«
    »Was?« Rachel schnitt eine fragende Grimasse. Eine Nanosekunde später dämmerte ihr, was er meinte, und sie wurde schlagartig rot.
    »Ich hab … also nicht … also das Schloss … ich, äh … nein, ich bin Single … aber, was red ich eigentlich mit dir?«, brabbelte sie ärgerlich und zunehmend hilflos. Dabei starrte sie auf das immer breiter werdende Grinsen und die unverschämt weißen Zähne ihres Gegenübers. Was für ein eingebildeter Arsch …!
    Nun war sie es, die sich hastig abwandte und zu ihrem Malplatz zurückeilte. Die Lust auf Blüten und Hummeln war ihr gründlich vergangen. Sie fegte ihre Sachen zusammen und klemmte sich den Skizzenblock unter den Arm. Nur – als sie dann den Hocker zusammenklappen wollte, fiel ihr alles wieder herunter. Die Dose mit den Stiften sprang auf, die Zeichnungen segelten auf den Rasen und drohten, von der leichten Seebrise in alle Winde verstreut zu werden. Rachel jagte den Papieren hinterher. Als sie sich gerade nach einigen bückte, hielt ihr plötzlich eine Hand zwei Blätter vors Gesicht. Rachel zuckte zusammen. Wie aus dem Nichts war der Fremde ihr erneut in die Quere gekommen.
    »Ganz schön schreckhaft«, kommentierte der Unbekannte gut gelaunt und guckte sie schon wieder mit diesen fältchenumzwinkerten Augen an, dass Rachel ein Kribbeln durch den Magen fuhr. »Sind das Partynachwirkungen oder ist das chronisch und Teil des Charakters?«
    »Ich habe nur ein bisschen wenig Schlaf abbekommen«, verteidigte sie sich und ärgerte sich im nächsten Moment darüber. Was ging den das bitte schön an und wieso musste sie sich überhaupt vor irgendjemandem für ihr Verhalten rechtfertigen? Stattdessen plapperte sie sich auch noch ungebremst weiter ins Verhängnis: »Das lag außerdem überhaupt nicht an der Party – ich betrinke mich nämlich nicht sinnlos –, sondern an meinem bescheuerten neuen Nachbarn von oben, der unbedingt mitten in der Nacht Möbel rücken muss!«
    Er zog die Augenbrauen hoch und stellte nach kurzer Überlegung ruhig und sachlich fest: »Du bist die Zicke!«
    »Was?« Rachel versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. In ihrem Gehirn ratterte es. »Oh nein! … Der Idiot!«, krächzte sie und wechselte schon wieder so rasant die Gesichtsfarbe, dass ein Chamäleon vor Neid grün geworden wäre – obwohl, das waren die ja eh schon.
    »Ach … so hast du mich also genannt, bevor du dir den Fuß an meiner Tür gestoßen hast?«, riss er sie grinsend aus ihren Gedanken. »Das hatte ich nämlich nicht ganz verstanden.« Er schien sich prächtig zu amüsieren.
    »Oh, das kann ich dir gern noch mal erklären!«, brauste Rachel nun richtig auf und freute sich eindeutig zu früh über ihren gelungenen Konter.
    »Na immerhin sind wir inzwischen beim Du«, fuhr ihr Sparringspartner unbeirrt fort und machte einen Schritt auf sie zu. »Hier sind deine Blätter, Rachel McIntyre. Auf gute Nachbarschaft!«
    Was dachte sich dieser aufgeblasene Schnösel eigentlich? Nein, so leicht war sie bestimmt nicht zu besänftigen. Gerade legte sie sich ein paar scharfe Worte zurecht … als er völlig unerwartet seine Hände um ihren Kopf legte, Rachel zu sich heranzog und sie selbstbewusst und leidenschaftlich auf die Lippen küsste. Rachel wollte protestieren. Ehrlich. Aber dann passierte irgendetwas. Ihr Körper übernahm die Führung und sie küsste ihn zurück. In der Physik nannte man so was Energieumlenkung, schoss es ihr absurderweise durch den Kopf. Dann dachte sie gar nichts mehr, spürte nur noch seine weichen Lippen auf den ihren. Und im nächsten Moment war schon wieder alles vorbei.
    Er ließ sie los, drehte auf dem Absatz um und ging mit schnellen Schritten davon. Rachel starrte ihm ungläubig hinterher, unfähig, irgendetwas zu sagen. Was hatte sie eigentlich im Moment an sich, dass plötzlich alle Welt meinte, sie ungefragt küssen zu dürfen? Ihre Lippen bebten. Ihre Beine auch. In ihrem Bauch tanzten ganze Hummelvölker ausgelassen Pogo. Wo er sie berührt hatte, vibrierte alles und ihr Herz schien nicht mehr zu wissen, wie der Rhythmus ging, den es seit fast achtzehn Jahren auswendig kennen sollte. Rachel musste sich setzen, und zwar gleich. Sie ließ sich mit ihren Blättern, Stiften und dem Hocker auf den Rasen fallen.

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