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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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dabei, wie sie die letzten Meter schleichend zurücklegte und möglichst leise die Tür aufsperrte.
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, kam sich Rachel ziemlich verkatert vor. Ihr Wecker behauptete eisern, es sei erst halb acht. Ihre Wohnung roch betörend nach Rosen und sie brauchte einen Augenblick, um sich zu besinnen. Eine fast leere Flasche Wein, ein zerknülltes petrolfarbenes Hemd unter ihrem Kopfkissen und unzählige Schalen und Körbchen, mit Rosenköpfen und Blütenblättern gefüllt, halfen ihr auf die Sprünge.
    Zumindest hatte sie endlich wieder Hunger. Ihr Magen knurrte wie verrückt. Rachel schloss einen Kompromiss mit sich selbst. Sie würde jetzt duschen, Haare waschen und das Bett neu beziehen. Das Hemd würde sie vielleicht für eine klitzekleine Weile unterm Kopfkissen aufbewahren.
    Natürlich nur zu therapeutischen Zwecken: Desensibilisierung!
    Nach vier Scheiben Toast, abwechselnd bestrichen mit Lemon Curd und Orangenmarmelade, und einem halben Liter Earl-Grey-Tee, ging es ihr erheblich besser. Als Nachtisch gab's noch eine Banane. Sie kämmte sich ihre handtuchnassen Haare nach hinten, schlüpfte in Shorts, T-Shirt und eine leichte Strickjacke und beschloss, nach dem Rosenbusch zu sehen, um ihn mit der Bananenschale zu verwöhnen.
    Im Haus war es still. Höchstwahrscheinlich schliefen alle noch, und das war gut so. Rachel war sich immer noch nicht sicher, ob sie bei entsprechendem Nachbohren und mitleidigen Blicken ihre Fassung bewahren würde.
    Der Einzige, dem sie begegnete, war Humphrey. Zum Glück war er kurzsichtig, weshalb er sie nicht auf ihre geröteten Augen ansprach. Der alte Mann schnitt den Rasen, eisern und ausdauernd mit einem ziemlich antik aussehenden Handrasenmäher. Er tippte zum Gruß kurz an seinen Tweedhut und hielt an, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen. Mit demselben erdigen Taschentuch, das Rachel bereits kannte.
    Er sah die Bananenschale in ihrer Hand und nickte anerkennend. »Gut für Rosen«, nuschelte er. »Hätte nicht gedacht, dass junge Leute so was noch wissen.«
    »Das habe ich von meiner Großmutter gelernt«, erklärte Rachel und lächelte.
    »Kluge Frau«, meinte Humphrey und stopfte sein Taschentuch so umständlich wie ungeduldig in die enge Tasche seiner grauen Arbeitshose. »Meine nicht«, brummte er. »Die Latzhose einfach in die Wäsche gesteckt. Blödsinn.« Er grunzte ungehalten und wies mit dem Kopf zu dem verwüsteten Busch hinüber. »Wird er gut finden.«
    Rachel schmunzelte. »Warum reden Sie von dem Rosenbusch, als wäre er eine Person?«
    Der Gärtner musterte sie kurz, als hätte sie gefragt, ob Tomaten an Apfelbäumen wachsen. »Vom jungen Wolf rede ich natürlich«, sagte er dann nachsichtig.
    Rachel erstarrte.
    »Grayson?«, fragte sie, nur um sicherzugehen, dass er nicht doch von wilden Tieren redete. Ohne es zu merken, knetete sie die Bananenschale zwischen ihren Fingern.
    »Ja sicher, sonst gibt’s hier keine Wölfe«, keckerte der Alte, als hätte er einen besonders guten Witz gemacht. »Sind doch seine Rosen, Mädchen. Schon seine Oma hat drauf aufgepasst. Die wusste das auch mit den Schalen, kannste Gift drauf nehmen.«
    »Wie lange sind Sie schon hier, Humphrey?«, wollte Rachel wissen.
    »Lang genug«, antwortete der Gärtner und wollte mit seinem Rasenmäher weiterziehen.
    »Aber wieso hat Grayson das dann gemacht?«, rief sie ihm verzweifelt nach. »Wenn ihm die Rosen doch was bedeuten?«
    Der alte Mann blieb noch einmal stehen und sah Rachel eindringlich an. »Grayson tut so etwas nicht, Mädchen. Der würde keiner Fliege etwas zuleide tun. Egal was die Leute reden … und die reden viel zu viel, wenn der Tag lang ist. Das war ein Unfall damals. Er hat lang genug dran geknabbert und wird die Schatten sein Leben lang mit sich herumtragen. Man sollte ihn endlich in Ruhe lassen. Meine Meinung.«
    Rachel starrte den Gärtner an. Sie verstand nur Bahnhof. Aber Humphrey hatte mit einer simplen Handbewegung unmissverständlich klargemacht, dass er bereits zu viel gesagt hatte und nicht weiter über dieses Thema reden wollte. Die Unterhaltung war vorbei. Die Rasenmähpause auch. In seinen grünen Gummistiefeln und der falschen Arbeitshose stapfte er weiter, während Rachel ihm zutiefst verwirrt hinterhersah. In der Hand hielt sie die inzwischen ziemlich braun gewordene Bananenschale.
    »Na? Wen hast du hier begraben?«
    »Caleb?!« Rachel fuhr herum und blieb mit dem Ärmel an einem Rosenzweig hängen. »Du hast echt ein

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