Beruehrt
sich mechanisch die Hände und blickte an ihrem Spiegelbild vorbei. Dann vergrub sie sich im Bett, während draußen die Vögel sangen und sie sich in einen unruhigen, schweißnassen Dämmerschlaf weinte.
Wie konnte das sein? Sie spürte seinen Mund noch auf ihren Lippen, ihr Kinn war gerötet von seinen wilden Küssen und den vorwitzigen schnell nachwachsenden Bartstoppeln. Ihre Haut, ihre Muskeln, einfach ihr ganzer Körper konnte sich zu gut an den seinen erinnern. Diese Nacht war so intensiv gewesen, so vertraut: Wie er sie angesehen hatte, wie er sie berührt hatte, was er gesagt hatte und vor allem, wie – in so etwas täuschte man sich doch nicht?
Und dann fuhr er einfach auf und davon? Unrasiert, ohne Erklärung, ohne Abschiedskuss, ohne sich umzudrehen? Danke für die Nacht? Was war das denn für ein beschissener, ultragemeiner Spruch? Deutlicher hätte er nicht ausdrücken können, dass sie ihm egal war. Wie naiv war sie eigentlich?
»Arsch«, jaulte Rachel auf. Ein Schimpfwort reichte jedoch noch lange nicht aus, um die ganze Sache zu verdauen.
Rachel konnte nicht mehr schlafen. Ihr Kopfkissen war voller Sand. Sie wischte die Körnchen wütend vom Bett und begann, ruhelos durch ihre Wohnung zu streifen. Schaltete ihre Musikanlage ein und stellte sie wieder aus. Tat das gleiche mit dem Fernseher, dem E-Book-Reader, dem Toaster und ihrem Handy. Wie gut, dass er ihr seine Nummer gar nicht erst gegeben hatte, so brauchte sie die wenigstens nicht gleich wieder zu löschen.
»Arsch.« Sie sagte das Wort immer wieder laut vor sich hin, um es mit dem Namen Grayson Wolf so zu verknüpfen, dass es auch die letzte ihrer Synapsen endlich schnallte und dauerhaft abspeicherte.
Irgendwann klingelte das Telefon und Rachel zuckte zusammen. Sie war kurz davor, übers Sofa zum Hörer zu hechten, kniff dann aber die Brauen zusammen und ging betont langsam und beherrscht um das Sofa herum.
»McIntyre«, meldete sie sich förmlich.
»Stimmt was nicht?«, wollte Kathy wissen.
Rachel brauchte zwei Atemzüge, um die plötzlich aufsteigenden Tränen und das Engegefühl in ihrer Kehle wegzuräuspern. »Nein, hab mich nur verschluckt«, log sie, würgte den Kloß hinunter und wischte sich energisch mit dem Handrücken über die Augen. »Was ist denn?«
»Wie – was ist?«, fragte Kathy. »Wir warten auf dich, wir wollten zum Strand, schon vergessen? Eis essen, Spaß haben, schwimmen.«
»Oh, ich … das ist heute doch nicht so eine gute Idee. Ich glaub, ich hab was Falsches gegessen. Mir liegt da irgendwas quer im Magen. Vielleicht ist es auch ein Virus. Oder ich kriege meine Tage. Ja, bestimmt ist es das.«
Aber so leicht ließ sich Kathy nicht abwimmeln. »Dann ist Sonne auf jeden Fall das Richtige. Oder du legst dich in den Schatten. Genauso gut. Ach komm schon, lass mich nicht allein mit Helen und den Kerlen. Caleb hat auch schon abgesagt!«
»Wirklich, hat er?« Stimmte ja, sie hatte nicht nur ein Problem. Das hatte sie so schön verdrängt.
»Nein ehrlich, Kathy. Tut mir leid. Mir ist heute nicht nach Sand und Wasser und vielen Leuten.«
Wenn Caleb nicht dabei war, wäre der Strand vermutlich der zweitsicherste Ort an diesem Tag – abgesehen von ihrer Couch mit einem riesigen Becher Eis. Dennoch hatte sie mehr als genug Sand gehabt in den letzten vierundzwanzig Stunden. In den Haaren, zwischen den Zähnen und an Stellen, die niemanden etwas angingen. Kathy verabschiedete sich, hörbar enttäuscht. Rachel legte auf.
Wie es wohl Caleb ging? Da war auf jeden Fall eine Entschuldigung fällig. Was war nur gestern Abend in die beiden Jungs gefahren? Sie war gespannt auf seine Erklärung.
Abwesend rieb sie sich übers Knie und bemerkte überrascht, dass ihre Finger klebten. Na super. Sie hatte sich das Knie aufgescheuert und es nässte. Noch mehr Sand. Ganz bestimmt wollte sie jetzt nicht darüber nachdenken, bei welcher sportlichen Betätigung das passiert sein konnte. Wehe! Aber es war schon zu spät. Bilder der Nacht stiegen in ihr hoch, zu denen ihr Bauch Samba tanzte. Fordernde Hände, wilde Küsse und viel nackte Haut … Stopp! Zu viel Kopfkino. Zu prickelnd. Zu schmerzlich. Gar nicht gut. Katerstimmung hoch zehn. Sie brauchte jetzt Eis und einen großen Löffel. Direkt aus der Packung war die Devise und sie hoffte inständig, dass es half, irgendetwas in ihr vernünftig zu betäuben.
Zumindest hatte Rachel zwanzig Minuten später tatsächlich Bauchweh. Und obendrein einen Fleck auf dem Hemd – auf
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