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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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unter ihren Strichen zu Porträts von G-Punkt W-Punkt mutiert waren. Sie endeten unrühmlich in der Toilette, im Reißwolf, im Papierkorb und in der Mikrowelle. Wobei ihr letztes Porträt bei 600 Watt Feuer fing und daraufhin schnell gelöscht werden musste. Und die Skizze aus dem Papierkorb strich sie dann doch wieder glatt und legte sie umgedreht in besagten Hemdenkarton. Selbstverständlich einfach nur, weil es aus künstlerischer Sicht eine ganz gut gelungene Charakterstudie war. Auf der Grayson leider sehr traurig aussah, mit seinen dunklen Augen, dem geheimnisvollen Zug um die Mundwinkel und den Fältchen, die von Kummer, Schmerz und … Leidenschaft erzählten.
    Zum x-ten Mal ließ Rachel die zerknitterte Zeichnung wieder verschwinden, stopfte das Hemd darüber und drückte fest den Deckel darauf, bevor sie den G-Punkt-W-Punkt-Gedächtniskarton mit einem Schubs ganz weit hinten unters Bett beförderte – bis zum nächsten Anfall.
    Immerhin hatte sie seit Graysons überstürzter Abreise keine dunkle Rose mehr erhalten. Andererseits, wie denn auch? Bis der Busch wieder Blüten tragen würde, konnte es Herbst werden. Sie war sich inzwischen sicher, dass die Blumen von ihm stammten, und schlussfolgerte, dass doch er den Strauch so zugerichtet haben musste. Nur hatte sie noch immer keine Ahnung, weshalb und was hinter dem Ganzen steckte. Doch das würde sie schon noch herausfinden.
    Das Telefon klingelte und Rachel stürmte ins Wohnzimmer. Wo hatte sie das blöde Ding nur wieder hingelegt? »Hallo?«, plärrte sie atemlos in den Hörer. Niemand antwortete, es rauschte nur und sie meinte, jemanden atmen zu hören. »Hallo? Wer ist denn da? … Die Verbindung ist ziemlich schlecht, ich leg jetzt auf, versuchen Sie’s noch mal, ja?« Keine Reaktion. Rachel meinte, ein Rascheln zu hören, bevor es klickte. Dann tutete es. Sie wartete ein paar Minuten und hielt den Apparat unschlüssig in der Hand. Aber es klingelte nicht noch einmal.
    »Blöder Affe!«, knurrte sie. Und das galt vor allem Grayson, egal, ob er das jetzt gewesen war, und noch mehr, wenn nicht.
    Vor einer ganzen Weile hatten Kathy, Helen und sie Bruce leichtsinnigerweise versprochen, ihm in der Stadtbibliothek beim Recherchieren für einen Artikel über Kunstmäzene in der Region zu helfen.
    Während Kathy und Helen ihm Buch um Buch heranschleppten, hatte der Lieblingsnerd, wie sie ihn heimlich nannten, Rachel dazu verdonnert, im Zeitungsarchiv nach bestimmten Stichworten zu suchen.
    Aus purer Langeweile tippte sie zwischendurch Grayson Wolf ein – und war völlig perplex, als das Mikrofilmverzeichnis innerhalb kürzester Zeit siebzehn Treffer meldete. Allerdings prompt gefolgt von einer Zugriffsverweigerung. Rachel versuchte es mit der Stichwortsuche im Netz. Auf Twittereinträge und soziale Netzwerkdateien folgten dort sogar Städte in den Vereinigten Staaten und irgendjemand, der mit Nachnamen Grayson hieß. Und dann tauchten plötzlich mehrere Zeitungsartikel, Unfallberichte und Gerichtsprotokolle auf. Rachel rieb sich fröstelnd die Arme. Es fühlte sich an, als hätte jemand die Klimaanlage in der Bibliothek auf einen Schlag um fünfzehn Grad heruntergekühlt.
    Sie schluckte trocken. Je weiter sie scrollte, je mehr Treffer sie überflog, desto gruseliger wurde das Ganze. »Crash im Morgengrauen – Fabrikerbe überlebt!!« – »Rätselhafter Unfall mit tödlichem Ausgang« – »Grayson W. verhaftet«, las sie. »Das ist doch nicht wahr, oder?« Sie klickte die nächsten Artikel an. »Junge Frau stirbt nach Tagen im Koma. Industriellensohn beteuert Unschuld« – »Grayson W. verlegt, Selbstmordgefahr!«
    Was war das denn? Das konnte nicht sein! Doch es gab keinen Zweifel. Er war es. Sie brauchte ihn nur auf dem Foto anzusehen und schon zog sich in ihrem Bauch alles zusammen. Auch wenn die Bilder teilweise verwackelt waren und der junge Mann darauf sich abwehrend eine Hand vor das Gesicht hielt – es war eindeutig ein etwas jüngerer Grayson. Rachel begann zu zittern. Ihr wurde übel. Was ihm da vorgeworfen wurde … und dieses Mädchen … Die Zeitung hatte ein Foto aus ihrem Abschlussjahrgang veröffentlicht. »Amelia W. – tragischer Tod mit 17.« Das Mädchen auf dem Schwarz-Weiß-Scan war wunderschön. Lange, gewellte blonde Haare, zarte Haut, ein sanftes Lächeln …
    Bruce bog um die Ecke und starrte neugierig auf den Monitor. »Hey! Die sieht aber gut aus. Hollywoodsternchen? Neuer Film? Worum geht’s?« Rachel starrte Bruce an.

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