Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
nächsten Tage bis zu ihrem Geburtstag abzuwarten und ihre Gäste auf dem Anwesen ihrer neuen Familie zu sein. Vlain gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht. Allein die Tatsache, sich im Territorium der verschlagenen Miss Bostwick aufzuhalten, behagte ihm nicht. Zusätzlich würde er es mit Noah McDare zu tun bekommen, den er zwar schätzte, dem er seit seinem Beitritt zur Garde jedoch nicht mehr vorbehaltlos vertraute. Aber der Mann wäre das kleinere Übel.
Vellény verzog entschlossen den Mund und straffte die Schultern. Sie würde sich nicht von ihrem Plan abbringen lassen und er musste zugeben, dass sie auch ihn bereits überredet hatte. Sie war seine Schwester, Herr Gott noch mal! Wie könnte er ihr nach dieser langen Zeit den Wunsch, über ihren Geburtstag zu bleiben, abschlagen? Außerdem hatte auch Crevi sich positiv für einen längeren Aufenthalt ausgesprochen. Dennoch war ihnen beiden bewusst, dass sie sich langsam mit der Suche nach der Perle beschäftigen mussten, die in Lhapata angeblich auf sie warten sollte.
Vlain drängte sich an den beiden Frauen vorbei und schob sich durch die Tür in den liebevoll eingerichteten Raum, der eine freundliche Atmosphäre ausstrahlte. Eine Bedienung lächelte ihnen höflich zu und zog ihrer Wege, während er, ohne länger zu warten, auf Yve und Jayden zusteuerte. »Hallo«, grinste Yve und Jayden erwiderte Vlains Gruß etwas zögerlich. »Lange nicht gesehen.«
Crevi löste sich von Vellény und umarmte ihre Freundin überschwänglich. Die beiden flüsterten kurz miteinander, so leise, dass vermutlich nur er etwas gemerkt hatte, und ließen lächelnd wieder voneinander ab.
Vlain atmete innerlich erleichtert auf. Sowohl Yve als auch Jayden hatten sich weitaus besser zurecht gemacht, als er erwartet hatte. Wenn sie auch keinesfalls wie Edelleute wirkten, so vermittelten sie zumindest den Anschein gewöhnlicher Menschen. In seiner pessimistischen Vorahnung war er der festen Überzeugung gewesen, Vellény würde einen Anblick geboten bekommen, der ihr gleich verriet, dass sie es nicht mit anständigen Menschen zutun hatte.
Yve war immerhin eine Exinsassin von Ral’is Dosht und Jayden war ein Bettler, wenn er auch heute vernünftige Kleidung trug; mager war er immer noch und die Bartstoppeln am Kinn waren nicht zu übersehen, aber es hätte durchaus schlimmer kommen können. Für den Moment war er beruhigt.
»Und wer sind Sie?«, wandte sich die Gesetzlose an Vellény.
» Ich bin Vellény McDare. Vlains Schwester.« Sie reichte Jayden und Yve die Hand, dann nahmen die drei Platz.
» Yvena Catah.«
» Jayden Orwé.«
» Ich«, fuhr Vellény augenblicklich fort, denn sie hatte noch nie lange um etwas herumgeredet, wenn sie etwas zu sagen hatte, »habe meinen Bruder und Crevi gefragt, ob sie etwas dagegen hätten noch einige Tage in Lhapata zu bleiben und sie meinten, es würde ihnen nichts ausmachen, wiesen aber ausdrücklich darauf hin, dass sie dafür Ihre Zustimmung benötigen würden.«
Yve wechselte einen Blick mit Jayden und meinte dann : »Wir hätten auch nichts dagegen. Gibt es denn einen besonderen Grund dafür?«
Vlain ergriff das Wort : »Meine Schwester hat in den nächsten Tagen Geburtstag. Deswegen hat sie uns auf ihr Anwesen eingeladen. Wir alle könnten dort problemlos unterkommen. Außerdem sind wir hier ja ohnehin noch nicht fertig.«
Die beiden hatten seine Andeutung verstanden und lächelten wissend. Dabei fiel ihm auf, dass sie sich seltsam aufeinander abgestimmt verhielten, gerade so, als wären auch sie sich in den letzten Tagen näher gekommen. Konnte es sein, dass…? Er zerstreute den Gedanken wieder.
» Klingt gut.« Yve schenkte Vellény ein Lächeln, das wohl freundlich gewirkt hätte, wenn sie nicht stets ein wenig misstrauisch dabei ausgesehen hätte. Alte Gewohnheiten kann man nur schwer ablegen .
» Sehr gut. Dann hoffe ich, euch vier heute Abend bei uns willkommen heißen zu können. Wir werden alles vorbereiten, damit ihr euch wie zu Hause fühlt.«
Eine unangenehme Stille trat ein.
Zum Glück tauchte eine Kellnerin auf, die freundlich nach ihrer Bestellung fragte. Vellény und Crevi schienen gleichermaßen froh, aus der unangenehmen Situation erlöst zu sein. Er und die beiden Frauen bestellten jeder ein warmes Getränk, woraufhin die Bedienung wieder verschwand.
» Ich könnte keine Kellnerin sein«, meinte Yve plötzlich, wohl nur, um irgendetwas zu sagen. »Wie kann man jeder Person, die hier hereinkommt,
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