Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
zuzudrehen.
Stirnrunzelnd kam sie der Aufforderung nach und schlug die Beine unter.
Was für eine Nacht!
Jaydens Hand schob den Vorhang ihres dunklen Haares bei Seite und bearbeitete ihren Nacken mit Zärtlichkeiten. Das war schon viel besser.
Sie zuckte leicht zusammen, als seine kühlen Finger ihre Haut berührten. Geschickt machte er sich am Mieder ihres Korsetts zu schaffen und löste die Schnüre eine nach der anderen.
» Ah«, machte sie, als er die letzte Öse geöffnet hatte und erhob sich. »So ist es schon viel besser.« Anstatt des Kleid auszuziehen, hielt sie es fest und huschte auf die Treppe zu.
Sie verfiel in übermütiges Gekicher, als sie seinen verdutzten Blick gewahrte . »Worauf wartest du?«, fragte sie ihn von der Treppe aus und ließ ein wenig freie Haut unter dem Korsett, das sie sich vor die Brust drückte, hervorblitzen.
» Na warte. Dich kriege ich!«, rief er aus, nachdem er ihren Wink verstanden hatte. Er stürmte ihr nach, woraufhin sie die letzten Stufen hinauf sprang, in die Küche stolperte und sogleich die Wendeltreppe im Wachturm erklomm.
» Wetten, dass du mich nicht kriegst, bevor ich oben bin?«, lachte sie und musste aufpassen, dass sie nicht im Saum ihres Kleides hängen blieb. Hinter sich hörte sie die schnellen Schritte ihres Verfolgers, der sie unter keinen Umständen entkommen lassen wollte.
Bevor sie durch die Tür ins Schlafzimmer rauschte, ließ sie die Lagen dunkelroten Stoffes raschelnd zu Boden gleiten.
Crevi fühlte sich überhaupt nicht gut. Ihr war übel und noch immer wurde ihr Mund vom schalen Nachgeschmack des Erbrochenen beherrscht. Kaum hatten Ennyd und sie den Wachturm eine Straße hinter sich gelassen, hatte sie sich in den Rinnstein übergeben.
Ennyd hatte ein wenig verlegen daneben gestanden und Dinge gemurmelt wie, dass sie sich daran gewöhnen würde. Crevi war sich nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt wollte. Hätte sie gewusst, dass ihre Übelkeit nur von ihrer beginnenden Schwangerschaft herrührte, wäre das in Ordnung gewesen. Oder von der Tatsache, dass wir gerade ihren leiblichen Vater massakriert hatten, denn das wäre nur natürlich gewesen.
Aber nicht daran wollte sie sich gewöhnen! Sie erinnerte sich nur noch, welch furchtbare Angst sie auf einmal gehabt hatte. Wie eine Welle hatte es sie mitgerissen. Es war zu viel gewesen. Zu viel auf einmal. Der (Mord-)Plan, die Begegnung mit ihrem leiblichen Vater, das plötzliche Durcheinander, die Furcht, das Grauen. Sie hatte gemerkt, wie ihr all das durch die Finger geglitten war, wie sie es nicht aufhalten, nicht ändern, nicht beeinflussen konnte.
Oh, beim Schöpfer!
Genau das hatte sie gedacht. Ich muss doch irgendetwas tun können. Und dann war es geschehen. Einfach so. Wie Dinge geschehen und alles verändern. Mit einem Mal hatte sie sich über all diese Geschehnisse erhaben gefühlt. Sie hatte Sachen gesehen, gewusst, gespürt, die sie vorher nicht gekannt hatte. Vor ihren Augen waren Schatten entstanden, die schemenhaften, durchsichtigen Schatten ihrer Freunde, die von ihnen ausgegangen waren und unzählige Handlungsmöglichkeiten geboten hatten, die in naher Zukunft geschehen würden oder könnten. Gleichzeitig war sie von einem Wirbelsturm an fremden Gedanken überschwemmt worden.
Instinktiv hatte sie nach diesen Schatten gegriffen – und sie hatten sich aufgelöst. Für eine Sekunde waren die Teufelskinder um sie herum in jedweder Bewegung erstarrt, dann war wieder alles wie zuvor gewesen.
Oder auch überhaupt nicht.
Wie kommt es, dass ich plötzlich über all diese Fähigkeiten verfüge? Noch vor wenigen Tagen hatte sie ebenso intuitiv geballte Luft mithilfe ihrer Magie verstärkt, um sich das Leben zu retten.
Ich habe mich in Gefahr gewähnt, ich habe geglaubt die Kontrolle zu verlieren…was kann nicht noch alles geschehen? Crevi wollte sich diese Möglichkeiten lieber nicht ausmalen.
Denk nicht dran, denk nicht dran, denk nicht dran.
Nun beobachtete sie schweigsam, wie Ennyd vor einer Haustür im Ginsterweg der Nummer 16 in die Hocke ging und sein Jackett öffnete. Sie staunte nicht schlecht, als sie erkannte, dass in die Innenseite seines Mantels eine Unzahl an Dietrichen und weiteren kleinen Werkzeugen genäht war.
Er quittierte ihre Sprachlosigkeit mit einem schiefen Lächeln und wählte ein passendes Instrument aus. Damit machte er sich an die Arbeit das Schloss zu knacken und bat sie, unterdessen über die Straße zu wachen.
Kaum hatte sie
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