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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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»Ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest. Du bist ein wenig spät, findest du nicht?«
    Ich rührte mich nicht.
    So sehr Crevi sich auch anstrengte, sie konnte meine Züge nicht erkennen.
    Der Raum schien auf die Hälfte seiner Größe geschrumpft und von allen Seiten von Schatten umgeben. Ihr war, als hätte meine imposante Gestalt sämtliche Helligkeit aufgesogen. Etwas in ihrer Brust verkrampfte und ihre Hände wurden klamm. 
    Nein, sie war sich plötzlich ganz sicher, dass ich sie nicht retten würde.
    » Spar dir diese Show«, vernahm sie schließlich meine süffisante Bemerkung. »Ich habe deinen Spielchen oft genug beigewohnt.«
    Wäre Crevi sich nicht absolut sicher gewesen, dass es sich bei ihrem möglichen Retter um mich handeln musste , hätte sie diese Präsenz, mit der ich Liwy begegnete, wohl niemals auch nur in ihren kühnsten Träumen mit dem Adrian, den sie kannte, in Einklang gebracht. Zu ihrer Irritation durfte sie feststellen, dass auch Liwy verwirrt schien.
    » Du weißt nicht im Entferntesten, wovon ich spreche, habe ich recht?«
    Crevi konnte die rasenden Gedanken hinter den sich gefährlich verengenden Augen der Dämonin deutlich ausmachen. Irgendetwas lief hier nicht nach Plan, das musste auch die andere festgestellt haben.
    Als die Frau nach mehreren Sekunden und reichlichem Überlegen bedächtig das Schweigen brach, traute Crevi ihren Ohren nicht: »Hör auf damit«, war alles was sie sagte. Und doch lag so viel mehr in diesen Worten, dass Crevi eiskalt wurde.
    Sie hat Angst! , durchfuhr es sie. Doch wovor?
    Ich schüttelte langsam den Kopf und schnitt eine traurige Grimasse.
    Schwieg.
    Betrachtete die Schlange.
    Lange.
    Anschuldigend.
    Erbittert. 
    Nichts sonst.
    Bis diese kaum merklich die Lippen bewegte: »Sag mir, bitte, dass das nicht wahr ist.«
     
     
    Ich wechselte die Perspektive und runzelte die Stirn, als ich die kle inen Fältchen betrachtete, die Liwys sonst so ebenmäßige Haut furchten. Es fiel mir ausgesprochen schwer, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, geschweige denn eine Vermutung darüber anzustellen, ob wir dasselbe dachten.  
    Ihr Anblick verwirrte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte. Mehr als es gut war. Und ihre augenscheinliche Verzweiflung machte mir mehr zu schaffen, als ich noch vor wenigen Tagen auch nur angenommen hätte.
    »Das würde ich gerne«, erwiderte ich grimmig. »Doch ich kann nicht.«
    Liwy nickte kaum merklich und schluckte : »Wie konnte es jemals so weit kommen, mein Liebster?« Dann löste sie die verkrampften Finger um Crevis Schulter – die ich, wie ich nun verblüfft feststellte, vollkommen vergessen hatte – und ließ sie frei. Einfach so. Ohne großes Aufhebens, als ginge es ihr ganz ähnlich wie mir.
    » Ich weiß es nicht«, hauchte ich nur, während ihre Worte in meinem Kopf unaufhaltsam nachhallten.
    Mein Liebster, mein Liebster, mein Liebster…
    Stets hatte ich angenommen, Aimee wäre es gewesen, die das endlose Echo in meinen Gedanken verursacht hatte. Ein Irrtum? Ja , lief es mir ob dieser Erkenntnis siedend heiß den Rücken hinunter. Aimee war zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen. 
    Der rauschende Fluss. Das brüchige Geländer in meinem Rücken, an dem ich mich krampfhaft festklammerte, zu feige endlich loszulassen und zu springen. Der bissige Wind, der an meiner Kleidung zerrte und mir die Tränen in die Augen trieb. Ihre Stimme, voller Panik verzerrt, von Schluchzern durchsetzt und unwirklich. Ich weiß nicht mehr, was sie im Einzelnen sagte, ich entsinne mich nur der puren Verzweiflung, die aus ihren flehentlichen Bitten sprach. Liebster, tu es nicht. Du darfst nicht springen . Und doch tat ich es. Ich erinnere mich nur noch an ihren abgerissenen Schrei und dann an nichts mehr.
    Liwy musste meine Gedanken gelesen haben. Wie sie jetzt vor mir stand, konnte ich kaum glauben, dass sie es wirklich war.
    »Wieso hast du mir das angetan?«
    Eine ganz klare Anschuldigung. Und mit ihr hob sich ihre Stimme.
    »Wieso?! Womit hatte ich das verdient? Es hätte alles anders kommen können, wenn wir zusammengeblieben wären! Warum hast du mich alleine gelassen?«
    Sie begann unkontrolliert zu weinen.
    »Ich versteh das einfach nicht. Ich bin tausendmal alles durchgegangen, aber ich hab dich nie verstanden. Wie konntest du mir das antun? Ich war erst sechzehn, Mann!«
    Ich konnte sie bloß anstarren, erfolglos um Worte ringen, die ich ohnehin nicht finden würde. Ich glaube nicht, dass irgendein Wort der

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