Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Bis Reird ihr seine Liebe gestanden hatte.
Ennyd entschuldigte sich hastig: »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es da jemand anderen gibt, ansonsten hätte ich…«
Sie biss sich auf die Lippe . »Kein Problem.«
Krampfhaft suchte sie in Windeseile nach einem unverfänglichen Thema . »Vielleicht ist es nicht allzu ratsam, mit der Kutsche bis nach Jurok hineinzufahren.«
» Wieso nicht?«
» Crevi meinte, dass wir uns unauffällig verhalten sollen, sobald wir die Bergmenschen erreichen.«
» Hat Crevi das gesagt?«
» Ja!«, erinnerte ihn Yve nun etwas ungehalten. »Und ich glaube kaum, dass wir, wenn wir dort ankommen wie die Götter, keine Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
» Wir sind Adelige auf der Durchreise, was ist schon dabei?«
» Ich bezweifle, dass diese Menschen Adeligen, vor denen sie sich vermutlich fürchten, ihre Geheimnisse anvertrauen.«
» Das überlass nur mir«, beschwichtigte er sie und warf ihr dann, als er sich ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit gewiss war, einen eindringlichen Blick zu, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Müssen wir denn immer genau das tun, was Crevi sagt? Jeder von uns, hat doch seine eigenen Absichten. Dich und mich nicht ausgenommen.«
Yve konnte Ennyd nur anstarren. Ahnte er, was sie vorhatte? Aber wie konnte er? Außer ihr, wusste nur Liwy Bescheid. Sie war sich keiner Unachtsamkeit in ihrem Verhalten bewusst.
Ausgerechnet jetzt erinnerte sie sich an Jaydens Vision, kurz vor unserem Aufbruch aus Gynster Marbelle.
»Yve?«, riss sie seine besorgte Stimme in die Wirklichkeit zurück. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du bist leichenblass. Geht es dir gut?«
So sehr sie auch nach einem Zeichen der grausigen Häme, die sie noch vor wenigen Sekunden in seinem Auge hatte funkeln sehen, suchte, sie fand keines. Ennyds Stirn war lediglich vor ehrlicher Sorge um sie gerunzelt und seine Hand hielt die ihre umfasst und drückte sie sanft.
Rasch entzog sie ihm ihre Finger, was ihn gekränkt den Blick senken ließ und ihr gleich darauf wieder leid tat.
»Ich wollte dich nicht beunruhigen«, versicherte er ihr. »Ich hätte wissen müssen, dass es unbedacht war, in Anbetracht der Tatsachen.«
» Im Anbetracht welcher Tatsachen?«
» Du weißt schon«, erklärte er, »seit der Sache mit Vlain. Wir sind vermutlich alle ein bisschen überempfindlich geworden, was das angeht. Ich wollte nur sagen, dass ich weiß, was ich tue und nicht vorhabe, unseren Plan in Gefahr zu bringen.« Er lächelte aufrichtig. »Also entschuldige. Heute ist wohl wirklich nicht mein Tag.«
Yve konnte nur nicken . »Wie weit ist es noch nach Jurok?«
» Wir sollten gegen Nachmittag dort eintreffen. Vielleicht versuchst du noch ein wenig zu schlafen?«, schlug er vor.
» Ja«, stimmte sie ihm zu. »Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee.«
Crevi zog das Tuch, das sie sich um den Kopf geknotet hatte , enger, um ihre Ohren vor dem Erfrieren zu schützen, und blinzelte in die grelle Wintersonne über uns. Das Einzige, an das sie denken konnte, war schnellstmöglich das Dorf zu erreichen und aus dieser Kälte zu kommen. Sie hatte nicht gewusst, dass es eine solche Kälte überhaupt gab.
Vorsichtig, um nicht versehentlich vom Pferd zu stürzen, beugte sie sich leicht zur Seite, um an mir vorbei einen Blick auf die Straße zu erhaschen, die an dieser Stelle steil bergab fiel und in eine Senke am Fuße des Zagrin-Dons hinabführte, wo uns die rauchenden kleinen Strohhütten und Steinhäuschen Juroks willkommen hießen. Crevi war froh, ein neues Reittier vom Gastwirt erstanden zu haben.
Doch es gab wichtigere Sorgen als die Kälte, mit denen sie sich beschäftigen musste.
Liwys unerwarteter Angriff hatte sie nicht nur ernsthaft überrascht, sondern auch in unsagbaren Schrecken versetzt.
Sie hätte auf der Hut sein müssen! So etwas hätte gar nicht erst passieren dürfen.
Was wäre geschehen, wenn es mir nicht gelungen wäre, die Dämonin in die Flucht zu schlagen? Nicht nur, dass sie nicht sich selbst hatte beschützen können, auch ihr Kind hatte sie nicht aus eigener Kraft vor Liwy retten können. Dabei war dies doch das Wichtigste, das Wertvollste, das sie dieser Tage besaß. Wenn nicht einmal dieser Gedanke ihre Kräfte hatte aktivieren können...
Vermutlich wäre sie nun tot und die Hoffnung der Teufelskinder auf eine bessere Zukunft ebenfalls. Ihr wurde überdeutlich bewusst, dass das Schicksal all der Opfer ihres Vaters von ihrem Leben allein abhängig
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