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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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nie eine richtige Luxussuite?«
    Er schob die morsche Holzwand der Scheune mit einem Ruck beiseite, musterte wenig begeistert unsere vorläufige Unterkunft und übertrat dann mit einem Seufzer die Schwelle.
    »Ganz meine Rede!«, pflichtete der Dieb, der dicht hinter Vlain folgte, ihm bei. In seinem frischen Jackett, das er irgendwo aufgetrieben hatte, und mit seinem edlen Hut auf dem Kopf wirkte er hier mehr als fehl am Platz.
    Jayden folgte als Dritter und nahm den beiden den Wind aus den Segeln : »Es ist schwer anzunehmen, dass die Menschen hier so etwas überhaupt kennen. – Vielleicht hättet ihr auf diese Idee kommen können, als wir ins noch in der Stadt befanden?«
    » Voraussichtlich ist das hier doch ohnehin unsere letzte Absteige zu sechst«, warf Yve ein. »Wenn alles glatt läuft sind wir in ein paar Tagen alle geheilt.«
    » Und du musst unsere hässlichen Visagen nie wieder sehen, war es das, was du sagen wolltest?«
    » Du hast es erraten, Ennyd!«
    Crevi und ich betraten den nach Tieren stinkenden Stall als Letzte.
    Kaum hatte ich die Tür hinter uns geschlossen, überkam mich ein Gefühl der Unruhe. Es war gar nicht so sehr der Geruch, der mich störte, vielmehr war es die Umgebung, die mir das Herz höher schlagen ließ. Unerwartete Erinnerungsfetzen überfielen mich gierigern Aasgeiern gleich, die nur darauf gewartet hatten, einen unbedachten Moment abzupassen und sich an dem verfaulenden Fleisch der Leiche zu schaffen zu machen.
    Wie ich so, halb benommen von den glasklaren Bildern meiner Vergangenheit, ziellos durch die Scheune irrte und die Gegenwart der anderen vollkommen ausblendete, fühlte ich mich mit einem Mal tatsächlich wie ein längst Verstorbener, von dem nichts als Gebein übrig geblieben war und dessen gequälte Seele auf nimmermehr Ruhe finden würde.
    »Alles in Ordnung?« Crevi packte meinen Arm und drehte mich halb zu sich herum.
    Im Halbdunkel hätte man sie beinahe mit Liwy verwechseln können.
    Das war mein erster Gedanke.
    Der zweite folgte glücklicherweise nur Augenblicke danach.
    »Natürlich.«
    » Bist du sicher?« Es wunderte mich, wie hartnäckig sie mich dabei anblickte. Gerade so, als wolle sie ihren Fehler vom Vormittag wieder gut machen. Ihre besorgte Miene rührte mich zutiefst und die Schmetterlinge in meinem Bauch schlugen Purzelbäume. Wenn es doch bloß mehr zu bedeuten hätte…
    Ein plötzlicher Aufschrei ließ mich zusammenfahren . »Lass das! Ennyd, nein. Hör sofort auf damit!« Es war Yve, die laut auflachte und deren Schritte über Crevi und mir auf dem Heuboden widerhallten.
    Yve und die anderen hatten sich wohl bereits weiter entfernt, als mir bewusst gewesen war. Das hatte ich, ganz in meine Gedanken versunken, gar nicht mitbekommen.
    Rein zufällig bemerkte ich, wie Crevi, während sie ebenso wie ich zusammenzuckte, automatisch ihren Bauch berührte. Sofort vertuschte sie die Geste, indem sie die Arme vor der Brust verschränkte. Ach ja, das wusste sie ja auch noch nicht, das ich über ihre Schwangerschaft bestens informiert war...wieso musste der Seelendiebstahl bloß so verzwickt sein? 
    »Schön, dass sich immerhin zwei von uns amüsieren«, hallte Vlains entnervte Stimme von den morschen Wänden der Scheune wider.
    Als ich bemerkte, dass Crevi nach wie vor auf eine Antwort von mir wartete , räusperte ich mich verlegen.
    » Mir geht es gut«, betonte ich und deutete auf die Leiter, die zu den anderen hinaufführte und die sie daraufhin ohne einen weiteren Kommentar erklomm. Ich folgte ihr.
    Mehrere Minuten später saßen wir zu sechst um eine kleine Ansammlung von Kerzen herum, die jeden von uns in einen befremdlichen Glanz tauchten. Yve zupfte sich die letzten Reste Stroh aus den Haaren und richtete ihre Aufmerksamkeit dann, wie auch wir übrigen, auf Crevi, die den letzten Brief ihres Vaters auseinander faltete.
     
     
    Liebste Crevi,
    mein Engel. Du hast Willem Irrwig, Deinen leiblichen Vater erreicht. Ich vermag es mir kaum vorzustellen, wie diese Begegnung für Dich gewesen sein muss. Vermutlich nicht einfach. Wahrlich nicht. Ich kann verstehen, wenn Du mich tausendmal verflucht hast, dass ich Dir die Wahrheit auf diesem Wege beibringen musste. Das hast Du nicht verdient. Ich hätte in diesem Moment, da Du ihm gegenüber trittst, bei Dir sein sollen. – Und ich fühle mich schuldig, das sei Dir gesagt.
    Ich kann nur hoffen, dass Will sich nicht allzu stur gebärdet hat. Das hat er doch nicht, oder? Ich weiß, dass er manchmal nicht

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