Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
treuloses Miststück. Das ist geradezu offensichtlich. Aber du? Da hätte ich doch etwas mehr Feingefühl erwartet. Was willst du damit erreichen? Unserer tragischen Romanze den dramaturgischen Höhepunkt aufsetzen? Voller Vergebung finden die beiden Hauptdarsteller wieder zueinander, kurz bevor sie erneut gezwungen werden, sich zu trennen?« Er ließ die Schultern sinken und schleuderte in einem Anflug höchster Wut den Wetzstein von sich. »Das ist billig, Crevi. So funktioniert das im wirklichen Leben nicht.«
Zum Ende hin wurde seine Stimme tonlos. In der darauf folgenden Stille, schien es ihm, als reiße jede qualvolle Sekunde das klaffende Loch in seiner Brust ein klein wenig weiter auseinander. Es tat so schrecklich weh, dass er kaum atmen konnte.
Zu genau erinnerte er sich an die Verachtung, an die Abscheu, die in ihren herrlichen blaugrauen Augen aufgeblitzt war. Schlagartig fand er sich in Jwyn wieder. Auf den Knien. Im Dreck. Von unten herauf zu ihr hinaufschauend. Und dieser Schmerz!
Nein, er wusste ganz genau, was er gesehen hatte.
Er hatte die verhuschten Blicke voller Hass noch sehr gut im Gedächtnis.
Die Stille, di e zwischen ihnen entstanden war und die auch jetzt wieder zwischen ihnen herrschte.
Er versteifte sich, als er das raschelnde Stroh unter ihren Schuhsohlen wispern hörte, während sie langsam, aber beständig, auf ihn zuhielt.
Vlain schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf ihren leisen Atem, ihre vertrauten Schritte, die ihm ohne jeden Zweifel verrieten, dass sie es war. All diese kleinen, unbedeutenden Eigenarten, die winziger Scherben gleich zusammengesetzt ein wundervolles Mosaik ergaben.
Beim Schöpfer, er liebte Crevi immer noch.
So, so sehr.
Er sog ihren Duft in sich ein und war sich zeitgleich sicher, dass er dieses Aroma auf nimmermehr vergessen würde. Nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, hielt Crevi abrupt inne. Als läge eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen, die es ihr verbat, auch nur einen Schritt näher zu kommen.
I nnerlich vor Verdruss zerrissen blinzelte er.
» Was kann ich tun, damit du mir vergibst?«
Hatte er sich verhört? Sie bat ihn um Vergebung? Das Ganze war so absurd, dass er erneut ein Auflachen unterdrücken musste.
» Ich bin mir keiner Schuld bewusst, die du auf dich geladen hast«, stellte er richtig. »Wenn einer von uns um Verzeihung bitten sollte, dann bin ich das. Es ist dein gutes Recht, mich zu verachten. Sowohl für das, was ich getan habe, als auch für das, was ich bin. Es ist nur, dass ich es nicht ertragen kann, wenn du diese Tatsachen abstreitest. Ich weiß, was ich gesehen habe – du kannst es nicht länger vor mir verbergen.« Vlain zögerte kurz. »Ich möchte nicht, dass du dich gezwungen siehst, mich weiterhin anzulügen. Ich will nicht, dass du dich mir gegenüber auf irgendeine Weise schuldig fühlst, nur…weil ich ohne dich fast umkomme. Also hör auf, mich zu verspotten, ich weiß, dass ich dich nicht verdient habe. Für dich ist etwas Besseres bestimmt.«
Erst, als er geendet hatte, bemerkte Vlain, wie sie ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippte und geräuschvoll die Luft ausstieß . »Bist du fertig?«, erkundigte sie sich knapp und als er überrumpelt nickte, trat sie mit verschränkten Armen vor ihn hin und musterte ihn. »Das hier ist es also, was du willst?«
Er war immer noch verblüfft . »Was meinst du?«
Sie funkelte ihn missbilligend an . »Ist das, deiner Meinung nach, die Behandlung, die du verdienst?«
» Jetzt machst du dich über mich lustig!«, rief Vlain verzweifelt aus und sprang auf die Füße. Er war eben im Begriff sich die Haare zu raufen und ihr den Rücken zuzuwenden, als er aus den Augenwinkeln das Schmunzeln bemerkte, das sich in ihren Mundwinkeln bildete.
» Und du dich über mich«, sagte Crevi ohne Umschweife und reckte ihm kühn das Kinn entgegen.
Vlain ließ die Hände sinken und starrte sie mehrere Sekunden perplex an. Das kannte er gar nicht von ihr ! »Erklär mir das, bitte«, bat er sie schließlich und konnte nicht anders, als ihr göttliches Mienenspiel zu bewundern, als sie breit lächelte.
» Ich habe das Gefühl, dass du einfach nicht akzeptieren willst, dass…« Crevi machte eine Pause und brach ab. Mit einem Mal war ihre Selbstsicherheit wie fort gewischt. Sie versuchte es noch einmal: »Kann es sein, dass du mir gar nicht glauben willst? Dass du dir einredest, ich würde dich anlügen, weil du in Wahrheit viel zu viel Angst davor hast, was wäre, wenn
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