Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Blume einfach so aus dem kargen Felsboden gesprossen war.
Gleich darauf begannen weitere Gräser, Farne und Blüten um sie herum zu sprießen, als sprenkle jemand den Stein mit Wunderwasser, wie sie es bisher nur aus den Märchen ihrer Kindheit kannte.
Sie verfolgte, wie Liwys zuvor so disziplinierten Untergebenen in Panik gerieten, durcheinander murmelten und aus ihrer Starre erwachten. Auch Ennyd und Jayden wichen voller Entsetzen in die Mitte der Sackgasse zurück, während um sie herum ein Dschungel entstand.
An einigen Stellen brach der Stein sogar auf und ließ einige Sprösslinge zu kleinen Bäumen heranwachsen, die mit aller Gewalt entfesselter Natur ihre Wurzeln von sich streckten und die Nerven der ungebetenen Eindringlinge auf eine harte Probe stellten.
»Ruhig, ihr Narren!«, fuhr Liwy die Dämonen an und schüttelte entnervt den Kopf. »Würdet ihr euch bitte zusammenreißen? Danke.« Sie wandte dem Szenario den Rücken zu und erklärte geduldig, als spräche sie mit einer Gruppe von Kleinkindern: »Die Ankunft der Schöpferin ist für dieses Phänomen verantwortlich. Was nur beweist, dass wir hier richtig sind. Der Ort reagiert auf ihr Kommen, er spürt die in ihr gebündelte Magie und reagiert dementsprechend. Es ist eine Offenbarung.«
Sogar Yve als Normalsterbliche konnte das Brennen auf ihrer Haut spüren, das verführerische Prickeln, das ihre Beherrschung auf eine harte Probe stellte. Die Luft hatte von einer Sekunde auf die nächste vor ungezügelter Kraft zu summen begonnen, als würde die Schöpferin sämtliche Energie, die es auf der Welt gab, einem Magneten gleich anziehen.
Das bedeutete, dass Crevi jeden Augenblick hier auftauchen würde.
Wie zur Bestätigung schob sich wie von Geisterhand ein riesengroßes dunkelgrünes Blatt, das mit roten Flecken gesprenkelt war, in Yves Blickfeld und verbarg sie vor den Blicken der anderen.
Es war der Moment, in dem sie es aufgab, nachvollziehen zu wollen, woher die tropischen Pflanzen so unversehens gekommen waren, und sich dazu entschloss, dieses Wunder schlichtweg als solches zu akzeptieren.
Das Blatt ein wenig bei Seite schiebend, so dass sie hinreichend sehen konnte, verfolgte sie, wie Liwy auf den Pfad hinaustrat und in einer Geste des Willkommens die Arme ausbreitete.
» Ah, da bist du ja endlich!«, hörte sie sie ausrufen, die unterschwellige Gier nur schlecht verborgen. »Wir haben schon auf dich gewartet. Wenn ich bitten darf«, Liwy verbeugte sich voller Spott vor der Schöpferin und bedeutete ihr mit einem Nicken, ihren Weg fortzusetzen.
Yve konnte Crevi aufgrund der Dämonen, die ihr den Blick auf ihre Freundin versperrten, nicht sehen, nahm aber an, dass die junge Frau einen Augenblick zögerte, möglicherweise eine Flucht in Erwägung zog, sich dann aber in ihr Schicksal fügte.
Als sie nun in ihr Blickfeld trat, wirkte sie so niedergeschlagen, wie Yve sich fühlte. Vollkommen alleine, von allen Seiten von Feinden umgeben – doch war es der erste Eindruck, der täuschte.
Yve schaute genauer hin. In Crevis grimmig zusammengekniffenen Augen funkelte unverhohlene Stärke. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Selbst jetzt, da das Ende bevorstand. War sie auch benutzt und gedemütigt worden, ihr Gang war aufrecht, ihre Haltung Ehrfurcht gebietend und das erste Mal verspürte Yve vor Crevi so etwas wie Angst.
» Was willst du, das ich tue?«, fragte diese die Dämonin leicht herausfordernd, wie Yve bewundernd feststellte.
Liwy allerdings schien die Aufmüpfigkeit ihrer Gegnerin urkomisch zu finden und grinste breit : »Wir müssen noch einen Augenblick warten. Wir sind noch nicht vollzählig.«
» Dann sollten deine Freunde sich beeilen«, erwiderte Crevi. »Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.«
» Sachte, sachte, meine Kleine.«
Crevi wollte eben zu einer Entgegnung ansetzen, als Liwy ihr das Wort abschnitt.
»Ihr kommt gerade rechtzeitig«, richtete sie ihre Stimme an die Neuankömmlinge, deren Erscheinen Yve gar nicht wahrgenommen hatte.
Neugierig reckte sie den Hals, um besser sehen zu können, und sackte gleich darauf in sich zusammen. Sie konnte ihren Augen kaum trauen.
An der Spitze der fremden Dämonen ging allen anderen voran einer, den sie dort am allerwenigsten erwartet hätte. »Adrian…?«, entfuhr es ihr und machte dadurch nicht nur mich, sondern auch Crevi auf sich aufmerksam.
Ich erwiderte ihren Blick nur flüchtig. Gleich darauf nickte ich der Schlange kurz, aber respektvoll, zu und
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