Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Sullivan, einem Soldaten aus dem Süden, gehört hat. Ein alter Freund von ihm lebt hier, doch wir wissen nicht, um wen es sich genau handeln soll.«
» Aus dem Süden?« Vodir kniff die Augen zusammen. »Wir haben mit Südländern nichts zu schaffen. Keinen Funken Anstand findet man dort. Töchter und Söhne von Söldnern und Seeräubern und ihren Schlampen sind genau das: Söldner, Seeräuber und Schlampen. Das sag ich dir.«
Jayden überging diese Bemerkung . »Bist du sicher, dass du niemanden kennst, der mit diesem Mann zutun hatte?«
»Natürlich . Die Leute sind ganz meiner Meinung, was das Pack aus dem Süden betrifft.«
Yve wunderte sich über die Feindlichkeit des Fleischers, fühlte sich jedoch nicht persönlich angegriffen. Sie hatte angenommen, dass diese Einstellung seit dem Fünfjährigen Krieg – in dem der Schöpfer die Menschen zu Waffen gemacht hatte – abgeklungen war. Schließlich hatten die Südländer nach ihrem gescheiterten Vorstoß in den Norden vor König Bryan aus dem Hause McFidleton gekniet, ihrem Piratenkönig Tris Triefauge war der Kopf abgeschlagen und Elenyria unter Bryan vereint worden.
»Bitte, Vodir«, bat Jayden ihn. »Du kennst niemanden, der…«
» Hundertprozentig, mein Freund. Ich habe noch nie jemanden diesen Namen hier unten aussprechen hören.«
» Danke trotzdem für deine Hilfe.« Er hob die Hand zum Abschied, dann traten sie wieder auf die Straße hinaus.
» Schönes Gespräch«, sagte Yve, nachdem sie sicher war, sich nicht mehr in Hörweite des Mannes zu befinden.
» Er ist sonst nicht so«, verteidigte Jayden seinen Freund. »Man kann ihm glauben. Er arbeitet schon lange hier am Platz. Er kennt die Leute. Wenn jemand uns hätte weiterhelfen können, dann er.«
» Na wunderbar.«
» Setzen wir uns doch ein Weilchen und denken noch einmal genau nach«, sagte Crevi, die sich erst jetzt wieder vom Anblick der Metzgerei erholt hatte. »An eine der Statuen.«
Dem hatte niemand etwas entgegen zu setzten.
Crevi ließ sich auf dem Sockel eines Kriegers nieder und holte aus ihrer Tasche ein kleines abgegriffenes Notizbuch hervor.
Yve beobachtete schweigend, wie die junge Frau ein paar Seiten darin umblätterte und den Brief hervorzog, den sie wohl als Lesezeichen verwendet hatte. Sie faltete ihn auseinander und überflog mit gerunzelter Stirn den Inhalt. »Das Gedicht«, sagte sie nach einer Weile. »Denkt ihr, es hat irgendeine Bedeutung?«
» Wie hieß es noch gleich?« Yve setzte sich neben Crevi und warf einen Blick auf das Schreiben.
Crevi las es ihr flüsternd vor und rückte dabei ganz nah an sie heran.
»Perlen heißen Weitsicht,
symbolisieren Macht
Sammeln um sich Völker,
Treten in Erscheinung, wenn einer lacht .«
» Erkennst du irgendeinen Sinn dahinter?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Kennt man das Gedicht?«, fragte Jayden.
Crevi hob die Schultern. Dann griff sie erneut in ihre Tasche und holte eine Schatulle hervor, aus der sie ein Stück Kohle zog. Den Brief reichte sie Yve ohne ein Wort der Erklärung. Sie schlug die nächste Seite in ihrem Notizbuch auf und begann feine Linien auf das Papier zu kritzeln.
»Was machst du?«, wollte Yve wissen.
» Ich zeichne. Dann kann ich besser nachdenken.« Kurz zeigte sie mit dem Kohlestück auf den Steinsoldaten ihnen gegenüber. Stolz ragte der junge Mann vor ihnen auf. Er hatte das Kinn gen Kuppel gereckt und seine Augen blickten mutig. Yve verglich ihn mit Crevis Zeichnung.
Es dauerte nicht lange und die Umrisse des Gesichts nahmen Gestalt an. Es sah genauso aus, wie die Statue. »Wow, das sieht toll aus«, sagte sie. »Ich könnte das nicht.«
» So schwierig ist das gar nicht. Jeder kann zeichnen«, schwächte die Künstlerin ab. »Es sind doch nur Striche auf einem Blatt Papier.«
» Na ja, ich kann nicht zeichnen.«
» Du musst es nur als Kunstwerk akzeptieren.«
» Als abstrakte Kunst vielleicht.« Yve schnitt eine Grimasse. »Aber bei dir sieht es richtig lebendig aus.«
» Dafür bist du bestimmt in anderen Dingen besser.«
» Ich kann kämpfen«, meinte sie wenig begeistert. »Aber wer will schon eine Frau, die kämpfen kann? Das ist Männerkram.«
» Aber es ist ein Talent. Ich kann nicht mal einen Degen richtig halten.« Crevi schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Wenn du nachdenkst, fällt dir mit Sicherheit noch etwas ein.«
Yve überlegte. Da erinnerte sie sich, dass sie nach ihrer Erlösung aus der Gefühlskälte ein großes Interesse am
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