Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
als hier.«
» Du musst uns nicht begleiten, wenn du nicht möchtest«, warf Crevi schnell ein, bevor eine ernsthafte Auseinandersetzung entstand. »Wir jedenfalls werden weiter nach Norden ziehen, Jayden.«
» Doch, doch. Ich komme mit.« Der Bettler zuckte mit den Schultern, was wohl unbekümmert wirken sollte, aber eher den Eindruck von Ratlosigkeit vermittelte. »Ich sage nur, Lhapata ist eine Großstadt. Zu viele Leute, zu viel Gedrängel. Zu viel von allem.«
» Wir können nur den Hinweisen in den Briefen folgen«, meinte Crevi mit ruhiger, aber dennoch bestimmter Stimme. »Sobald wir die Perle gefunden haben, gehen wir weiter.«
» Demnach besteht unser Ziel nun darin, an verschiedenen Orten Perlen zu sammeln«, brachte Yve es auf den Punkt. »Wenn ich das in dem Brief richtig verstanden habe.«
» Genau.« Crevi fuhr sich fahrig durch die blonden Locken, als beschäftige sie noch etwas. »Wie lange dauert es bis dorthin?«
» Etwa drei Wochen«, schätzte Vlain mit dem fachmännischen Wissen eines Fremdenführers. »Kommt darauf an, ob wir die Felsengebiete ohne Vorfälle durchqueren.«
» Die Felsengebiete?«, wollte Jayden wissen und zog eine Grabesmiene.
» Sie sind nicht ganz ungefährlich.«
» Na dann.« Der Mann machte eine Pause, als Vlain jedoch nichts hinzufügte, sagte er: »Könntest du vielleicht etwas detaillierter werden? Was hat man sich darunter vorzustellen?«
» Felsspalten, Schluchten, schmale Pfade, merkwürdige Tiere, die sonderbaren Bewohner und, und, und…zufrieden?« Vlain klang amüsiert.
» Das klingt nicht besonders erquicklich.« Crevi überlegte. »Ist es wirklich so gefährlich?«
» Ich bin bisher immer lebend hindurch gekommen.«
Jayden musterte ihn skeptisch . »Wir werden sehen, wie die Chancen für uns andere stehen.«
» So schlimm wird es nicht werden.« Yve schaute von einem zum anderen. »Haben wir denn die Wahl?«
Die haben wir nicht , dachte Vlain und er sah Jayden und Crevi an, dass ihnen das gleiche durch den Kopf ging.
IV . Lhapata
12. Mystik
Die Felsengebiete sind wahrlich kein schöner Ort. Dies hätte jeder Wanderer, der dort den Tod gefunden hatte, ausnahmslos bestätigt. Düster, grau und voller Schatten waren die Berge und Schluchten jener Gegend. Eine kalte und leere Steinwüste, umgeben von meilenweiter Einöde. Die Pfade waren eng und gleich neben ihnen befand sich der Abgrund. Ein zumeist bodenloser Abgrund, dessen Grund man nur erahnen kann. Irgendwo in dieser unheilvollen Gegend lauern garstige Tierchen, Spinnen und anderes Krabbelgetier, das sich des Nachts auf unvorsichtige Reisende stürzt und sich an ihnen gütlich tut. So erzählt man es sich in den Geschichten und ich bin der festen Überzeugung, jede Geschichte hat einen wahren Kern.
Es war spät in der Nacht, die Übrigen schliefen und Crevi versah seit geraumer Zeit ihren Wachdienst. Den Tag über waren sie durch die tiefer gelegenen Schluchten der Felsengebiete gewandert, hatten nach einem Aufstieg gesucht und ihn schließlich gefunden. Danach folgten sie einem schmalen Pfad, der sich eng an den Berg schmiegte und nur an wenigen Stellen breit genug war, dass zwei Personen gleichzeitig nebeneinander herzugehen vermochten. Stetig wanderten sie bergauf, nur um nun erschöpft in einer kleinen Höhle die Nacht zu verbringen.
Crevi saß am Eingang, der Schein des Feuers färbte ihr Haar goldrot, und blickte gedankenverloren in die Nacht hinaus, bis sich mein großer Schatten vor den Eingang schob und das Licht für einen winzigen Augenblick aufsog. Dann trat ich in den Feuerschein.
»Adrian! Was machst du hier?«, fragte sie mich sofort.
»Ich leiste dir Gesellschaft.«
»Du weißt, wie die Frage gemeint war.«
»Du siehst einsam aus«, sagte ich.
»Ich denke nach. Ich fühle mich nicht einsam.«
»Die Heldin, die mit ihrem Schicksal hadert. Gehe ich Recht in der Annahme?«
Sie stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Sollte das dramatisch klingen?«
»Nein, das kam mir nur eben in den Sinn.« Ich zwinkerte ihr zu. »Ich lese gerne. Und wer kennt sie nicht, die Geschichten, in denen der Held nicht weiter weiß und ihn die Zweifel beschleichen?«
»Du bist ein wahrer Poet.« Sie legte den Kopf auf die Seite und ihr Blick glitt zu ihren Gefährten. »Was ist, wenn sie dich bemerken?«
»Sie werden mich sofort wieder vergessen haben.«
»Wie Jayden?«
Ich nickte.
»Du bist sonderbar.«
»Danke.«
»Das war kein Kompliment.« Jetzt grinste sie breit.
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