Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Seit ihr in Linelle Falah aufgebrochen seid.«
» Verdammt, wer bist du?«, flüsterte sie. »Wieso verfolgst du uns?«
» Im Augenblick bin ich niemand und ich folge euch, weil es mir beliebt.« Ich versuchte es mit einem Lächeln. »Ich werde euch nichts zu Leide tun. Ich hege keinerlei böse Absichten.«
» Woher soll ich das wissen?« Crevis Gesicht war weiß geworden und langsam machte sie einen Schritt von mir fort in Richtung Fenster.
» Du wirst mir vertrauen müssen.«
» Dir vertrauen?« Sie lachte hell auf. »Wie stellst du dir das vor? Du bist ein Fremder!«
» Ich bin ein Freund«, erklärte ich ihre letzte Aussage für falsch. »Du solltest dich glücklich schätzen, mich zu haben.«
» Was wird das für ein Spiel?«
» Du weißt doch mittlerweile, dass das alles hier kein Spiel ist«, wies ich sie auf ein früheres Gespräch mit Vlain hin. »Du solltest mir glauben und keine Fragen stellen. Das wird dir in dieser Welt nicht helfen. Ich weiß eine Menge mehr als du und deine Freunde.« Ich holte tief Luft und hoffte inständig, ihr mit meinen nächsten Worten nicht noch mehr Angst einzujagen. »Alles, was zwischen uns passiert, wird niemals einer der anderen erfahren. Hast du das verstanden? Ich existiere in den Augen deiner Gefährten nicht.«
Die Beklemmung war ihr deutlich anzumerken . »So etwas geht doch gar nicht.«
» Wie willst du dir erklären, dass Jayden sich nicht an mich erinnern kann?«
» Ich weiß es nicht!«, jetzt wurde ihre Stimme schrill. »Dann bist du so was wie ein Geist? Oder ein Engel?«
» Na ja, eigentlich nicht. Ein Geist wäre wohl zu böse und ein Engel zu gut«, bewertete ich ihren Vergleich ganz unbekümmert. Wenn sie den Kopf verlor, musste ich meinen auf alle Fälle behalten.
» Irgendetwas dazwischen also. Wie beruhigend«, bemerkte Crevi zynisch.
» Ich möchte nicht, dass du dich vor mir fürchtest«, richtete ich eine aufrichtige Bitte an sie. »Ich möchte, dass wir Freunde werden. Mit dieser Absicht bin ich gekommen. Du jedenfalls bist etwas Besonderes, ansonsten hättest du mich ebenso schnell vergessen wie der Bettler. Irgendwie müssen wir damit umgehen.«
Crevi schwieg, musterte mich und antworte dann : »Na gut. Aber ich möchte mich vergewissern, dass ich dich mir nicht nur einbilde.«
Natürlich war ich echt! Auf welch sonderbare Ideen Menschen manchmal kommen . »Und wie willst du das anstellen?«, fragte ich etwas frech, da es mir doch zuwider war, für nicht existent gehalten zu werden.
Crevi kam auf mich zu und tippte mich vorsichtig an. »So, ich bin überzeugt.« Sie ließ wieder von mir ab und setzte sich auf die Bettkante. »Ich bin müde. Würde es dir etwas auszumachen zu gehen?«
» Selbstverständlich nicht.« Ich machte eine Verbeugung. »Bis bald.«
» Bis bald, Adrian.«
Gegen Mittag des nächsten Tages hatten sich sowohl die beiden Frauen als auch die zwei Männer in der Küche des Anwesens eingefunden. Das Frühstück war karg, aber etwas Besseres hatte Jayden Orwé, der ein Bettler, ein Visionär und ein Geschichtenerzähler war, nicht auftreiben können.
Er hatte von Crevis Geld einen frischen Laib Brot und eine spärliche Auswahl an Belag besorgt. Allzu viel konnte man in der unterirdischen Stadt allerdings nicht erstehen, daher beschränkte sich die Auswahl auf eine Sorte Käse und eine Sorte Wurst.
Schon seit Crevi das Zimmer vor zehn Minuten betreten hatte, versuchte Vlain voller Besorgnis, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Sie wirkte schweigsam und sehr nachdenklich. Kaum hatte sie ein Wort an ihn oder Jayden gerichtet. Selbst zu Yve, die am späten Abend des Vortages aus ihrem ruhenden Zustand erwacht war, hatte sie nicht gesprochen. Als hätte die Rebellin ihr nicht das Leben gerettet und sie zu verteidigen versucht.
Yve nahm ihr dies scheinbar nicht übel, aber Vlain fand es recht sonderbar.
Stattdessen schaute Crevi ins Nichts, während sie dabei war ihre Scheibe Brot zu verspeisen. Abwesend wirkte sie, als würden ihr tausend Gedanken durch den Kopf wirbeln. Irgendetwas beschäftigte seine Schutzbefohlene. Er konnte es förmlich spüren. Die Ungewissheit, worum es sich dabei handeln mochte, machte ihn fast wahnsinnig.
Es tat ihm weh, sie so hilflos zu sehen. Denn hilflos war sie. Das war unverkennbar.
Niemand sagte etwas, bis die Rebellin die Sprache auf den Brief – und die Perle – brachte.
» Ich habe sie hier«, sagte Crevi daraufhin und holte die beiden Gegenstände aus einer ledernen
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