Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
auch gar nicht«, gab Crevi zu bedenken.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Ja.«
Beide verstummten schließlich und lauschten auf die nächtlichen Geräusche des Waldes. Das Zirpen kleiner Käfer war zu vernehmen, das Rascheln der Blätter und das Kreischen eines Vogels. Wie eine sanfte Melodie untermalte der Wind die Kulisse der Natur und je länger Yve in die Flammen des Feuers starrte, dessen hypnotische Bewegungen schläfrig machten, desto müder wurde sie.
»Ich glaube, ich leg mich jetzt hin«, gähnte sie. Sie stand auf und suchte nach ihrem Schlafsack, entrollte ihn. Als sie hinein gekrabbelt war und Crevi noch einmal musterte, lächelte sie. »Gute Nacht und dir viel Spaß mit deinem Vampir.«
»Danke«, bekam sie die gebrummte Antwort. »Dir auch eine gute Nacht.«
Kurz fragte sich Yve, ob sie Crevi mit mehr Ernsthaftigkeit hätte begegnen sollen.
Menschen!
Wieder einmal fiel mir auf, auf welch sonderbare Ideen diese manchmal kommen.
Vampire! Selbstverständlich war ich kein Vampir, wenn auch Blutsauger es durchaus getroffen hätte. Aber dies hatte ich meinem dämonischen Erbe zu verdanken und nicht der Tatsache, dass ich eine der berühmtberüchtigten Nachtgestalten war. So viel dazu.
Noch Stunden hätte ich mich darüber empören können.
Wenn ich der Vampir in diesem Spiel sein sollte, dann wäre Vlain Moore der Werwolf.
Punktum.
13. Der Feind
Die letzte Etappe ihrer Reise durch die Felsengebiete verlief ereignislos. Ohne weitere Vorfälle hatten sie das Tal des Flusses hinter sich gebracht und waren einem neuen Pfad gefolgt, der sich im Laufe der Zeit verbreitert hatte und schließlich in eine Handelsverkehrsstraße mündete, die das erste Zeichen von Zivilisation nach der Wanderung durch die Einöde war.
Crevi konnte sich eines Freudenschreis nicht erwehren, als ein verwitterter Wegweiser vor ihnen aufragte und in Richtung Norden nach Lhapata wies. In dicken roten Buchstaben hatte jemand den Namen der Stadt mit einem Stück Kreide nachgezogen. Andernfalls wäre mit Sicherheit nicht mehr zu entziffern gewesen, welche Information das morsche Stück Holz enthielt.
Sie folgten der Straße, bis die ersten Bäume sie willkommen hießen.
Erleichtert atmete Crevi auf. Das Grenzgebiet zwischen Skogak und Lhapata war durchquert. Fortan würden sie wieder in bewohnte Gegend gelangen.
Dennoch war ihr etwas betrüblich zu Mute. Die letzten beiden Abende hatte ich mich nicht blicken lassen und sie fragte sich, ob ich ihr Gespräch mit Yve belauscht und mich entschieden hätte, sie fortan nicht mehr aufzusuchen. Es machte sie ganz nervös, dass ich ihr kein Zeichen hatte zukommen lassen. Nicht, dass ich ihr gesagt hätte, wir würden uns nun öfter sprechen, es war schlichtweg eine bittere Enttäuschung.
Zur Ablenkung kramte sie aus ihrer Tasche den letzten Brief ihres Vaters hervor. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, das Schreiben vor ihrem Eintreffen in Lhapata nicht noch einmal zu öffnen. Crevi hatte hartnäckig darauf bestanden, sich vor ihrer Ankunft in der Stadt keine Gedanken darüber machen zu müssen. Denn zu viele Dinge machten ihr bereits jetzt das Leben schwerer, als sie es jemals zuvor empfunden hatte. Deswegen hatten weder Vlain noch Jayden oder Yve sie seit ihrem Aufbruch auf den Brief angesprochen.
An welcher Stelle die Perle zu finden sei, so hatte Crevi nach einer weiteren Begründung gesucht, könnte man am besten herausfinden, wenn man bereits dort war.
Als sie die Zeilen überflog, wurde ihr plötzlich bewusst, dass dem Papier ein intensiver Geruch nach irgendetwas anhaftete, das ihr vertraut vorkam. Sie wusste nur nicht, was es war und woher sie diesen Duft kannte. Der Geruch ihres Vaters war es nicht, da war sie sich sicher.
Sie nahm sich noch einmal den Hinweis auf die Perle vor und schob den Gedanken an den Geruch bei Seite.
Hierzu benötigst Du Perlen.
Sie bestehen aus einem besonderen Sekret, das dir helfen wird, Dein Ziel zu erreichen.
Halte Dich weiter nach Norden. Dort in der Ferne liegt eine Stadt namens Lhapata.
Manchmal muss man an dunkle Orte, in die Tiefen der Welt. Dort, wo man von kaltem Stein umgeben ist und die Hoffnung gar so fern scheint. Manchmal findet man nur dort einen Funken Licht.
» Perlen sind Geheimnisse,
aus den Tiefen der See
In dunklen Fluten verborgen
warten sie – o weh! «
Der Hinweis schien gar offensichtlich zu sein. In den Tiefen der See, wo sonst? Doch sie wollte sich nicht recht mit
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