Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
dieser Annahme zufrieden geben. Es erschien ihr zu offensichtlich. Außerdem wusste jeder Mensch, dass die Perlen aus dem Meer kamen. Und wieso sollte er sie dafür nach Lhapata gelotst haben? Wenn ihr Vater von ihr erwarten würde, dass sie todesmutig einer Perlentaucherin gleich in den Abgründen des Meeres versank, hätte er sie von Anfang an dorthin schicken können.
Nein, das kann nicht die Lösung sein.
Crevi stopfte den Brief entnervt in die Tasche zurück. Sie hatte im Augenblick nicht die Geduld, um sich ernsthaft mit dem Rätsel auseinander zu setzen.
Nichts wollte ihr in letzter Zeit gelingen!
Nachdem ich ihr gezeigt hatte, was es mit der Magie auf sich hatte, hatte Crevi noch mehrere Versuche unternommen, die Substanz zu fassen, aber nicht einmal das war ihr gelungen. Frustriert hatte sie schließlich aufgegeben und des Nachts, als sie sich sicher wähnte, dass ihre Begleiter tief und fest schliefen, hatte sie leise vor sich hingeflucht.
Seufzend rückte sie den Gurt ihrer Tasche zurecht. Ihr Blick wanderte zu Jayden. Noch immer hatte er ihnen seine Vision nicht mitgeteilt. Ob er sie vergessen hatte? Ihr fiel auf, dass auch Vlain ihn nicht mehr daran erinnert hatte. Absicht?
Als hätte der Bettler ihre Gedanken erraten, drehte er sich plötzlich zu ihr um und lächelte. Dabei fiel Crevi auf, das er noch immer rundum wie die armselige Gestalt wirkte, die sie in Skogak kennen gelernt hatten. Noch immer war seine Haut ungesund blass und hager war er ohnehin. Strähnig umrahmten die dreckig blonden Haare sein langes Gesicht und seine Kleidung wirkte seit dem Sturz in den See noch schäbiger, als zuvor. Kein freundlicher Geselle.
Kurz wunderte sie sich, dass sie sich in Skogak derart für ihn eingesetzt hatte.
Andererseits war eindeutig, dass auch ihre anderen beiden Begleiter keine sympathische Ausstrahlung besaßen. Vlain war Vlain, mehr gab es dazu nicht zu sagen. Selbst Yve, wenngleich sie eine lebenslustige und aufgeschlossene Frau war, wirkte, wenn man sie nicht kannte, unnahbar. Ihre Gesichtsfarbe war ebenso fahl wie die des Bettlers und der Zug um ihren Mund würde jeden Menschen auf der Straße abschrecken.
Ganz die Verbündeten, wie Dad sie für mich gewollt hätte, versuchte Crevi positiv zu denken.
» Na, Crevi?«, sprach sie überraschenderweise nicht der Bettler, sondern Vlain an und verwendete dabei ausnahmsweise nicht neckischer Weise ihren Nachnamen, wie er es in einer solchen Situation normalerweise getan hätte. Sie zuckte zusammen, als er so plötzlich direkt neben ihr auftauchte. »Du bist mit den Gedanken ganz wo anders, was?«
» Ja«, sagte sie schnell und versuchte, sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
» Du denkst an die Vision, stimmt’s?«
» Bin ich so leicht zu durchschauen?« Sie zog eine Schnute.
Er tat bedauernd . »Nein, eigentlich überhaupt nicht. Leider.«
» Ich dachte schon«, ging sie auf sein Spielchen ein.
» Du willst wissen, was er gesehen hat?«
» Hat er es dir etwa verraten?«
» Nein.« Vlain winkte Jayden ohne große Umschweife zu ihnen heran. »Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um ein wenig Licht in die Sache zu bringen.«
» Seid ihr sicher, dass ihr es wissen wollt?«, versicherte sich Jayden.
» Sind wir«, behauptete Yve, die rasch zu ihnen aufschloss. »Worum geht’s in der Vision?«
» So einfach ist das nicht.« Jayden biss sich auf die Lippe. »Ich werde nur allerlei wirres Zeug wiedergeben. Seid darauf vorbereitet.«
» Schon in Ordnung. Wir setzen das wirre Zeug dann zusammen«, drängte Vlain.
» Beginnen wir da, wo ich aufgehört habe«, sagte er schließlich, musste sich aber sichtlich zusammen nehmen. »Ich sah eine Frau…eine grausame Frau. Sie sprach auf eine Gruppe junger Männer ein.« Die Augen des Bettlers wurden leer. »Diese Männer…sie waren ihr zu Diensten.« Vollkommen weiß, schienen sie in eine andere Welt zu sehen. »Sie gab Befehle…herrisch und kalt.« Crevi wurde kalt, je länger sie Jayden anschaute. »Wenn jemand ihr widersprach…was kaum jemand tat – sie schlug diejenigen, die ungehorsam gewesen waren«, fuhr er lallend fort. Er taumelte nun mehr, einen Schritt vor den anderen. Vlain fing ihn auf und sie blieben stehen. »Eine stachelbesetzte Peitsche hatte sie dazu, die stets an ihrem Handgelenk baumelte. Sie verlangte…die Männer…sie sollten jemanden finden.« Schlaff hing der Mann in den Armen des Dämons. »Sie schickte sie auf die Suche…schnüffelnd wie Hunde nahm
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