Besessen
ihm gesagt hatte.
Ach ja. Gott schütze uns vor einem verliebten Vampir. Cyrus wartete, bis Max das Wohnzimmer verlassen hatte, dann begann er zu sprechen. Er tat das mit Absicht, um Max eine Lektion zu erteilen.
„Wenn mein Vater das Ritual durchführt, das ich meine, dann muss er die Seelen von all jenen, die er verwandelt hat, von ihren Sünden läutern. Das kann er nur erreichen, in dem er ihre Seelen frisst, wobei er dann einen weiteren Teil des Rituals vollzieht. Ich bin nicht sicher, was dieser Teil alles beinhaltet. Aber wenn er damit fertig ist und all die Seelen zerstört sind …“
„Zerstört?“ Bellas Augen wurden groß vor Schreck.
Cyrus brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, wie barbarisch das klingen musste. Die Seele war der einzige Besitz einer sterblichen Kreatur – hatte er jetzt auch eine? –, und den Sterblichen bedeutete sie sehr viel.
„Ja. Wenn die Läuterung vollzogen ist, kann er das Ritual wie vorgeschrieben zu Ende bringen.“ Cyrus lachte und zuckte mit den Schultern. „Das wird der beste Weg sein, um ihn zu stoppen. Man muss ihn davon abhalten, die Seelen, die er braucht, einzusammeln.“
„Genau das haben wir vor.“ Max kam aus der Küche zurück.In der Hand hielt er eine zerdrückte Tüte Knabberzeug mit Käsegeschmack. „Hier. Die Küche hat geschlossen.“
Obwohl sie alt waren und entsetzlich schmeckten, tat Cyrus, als schmeckten ihm die „Cheese Puffs“, wie sie auf der Tüte angepriesen wurden. „Nun, ich denke, Vater hat Nathan einfach mit dem Blutsband zu sich geordert.“
„Das Blutsband?“ Max schmunzelte. „Damit kenne ich mich zufällig auch ziemlich gut aus, aber ich würde mich deswegen nie am ganzen Körper aufritzen und als Killer Amok laufen.“
Cyrus schüttelte den Kopf. „Nein. Aber Sie würden bestimmt auch ein wenig verrückt werden, wenn Sie die ganze Zeit nur damit beschäftigt wären, Ihre Gedanken von der Verbindung zu Ihrem Schöpfer abzuschirmen. Ich kenne meinen Vater, früher hat er mich Tag und Nacht mit Visionen gequält von …“
Nein. Er würde diesen Fremden seinen persönlichen Horror nicht anvertrauen. „Mit Visionen von sehr unangenehmen Dingen. Das tat er so lange, bis ich ihm gab, was er von mir wollte.“
„Was immer er mit Nathan macht, es muss um einiges furchtbarer sein als Horrorbilder.“ Max schüttelte den Kopf. „Wenn wir nur herausfinden könnten, was …“
„Wir suchen weiter“, sagte Bella und nahm das nächste Buch in die Hand. „Nathan besitzt eine beeindruckende Bibliothek. Wir werden etwas finden.“
Als die Stunden vergingen, und Max auf der Couch heimliche Blicke auf die Werwölfin warf, die so tat, als würde sie es nicht bemerken, während Cyrus sich zum Schein in den verstaubten Wälzer auf seinem Schoß vertieft hatte, spürte er einen seltsamen Frieden. Obwohl seine Gefährten ihn nicht akzeptierten, war er doch in ihre zielstrebigen Bemühungenverstrickt und war ein Teil der Hoffnung, die sie antrieb. Vielleicht starb er doch nicht schon in dieser Woche und auch nicht in der nächsten. Vielleicht lebte er noch ein ganzes Jahr, oder sogar zwei. So lange jedenfalls, wie er diesen Optimismus hatte, den sich nur die Guten leisten konnten.
Ich stehe jetzt auf der guten Seite, Mouse, dachte er, und glaubte mit aller Kraft daran, dass sie ihn hören konnte. Und ich denke, ich bleibe auf dieser Seite.
21. KAPITEL
Die dunkle Nacht der Seele
Kurz vor Sonnenuntergang erwachte ich. Nathan war immer noch so vollkommen weggetreten von dem Kräutergemisch, dass er sich nicht regte, als ich aufstand. Es war kein erholsamer Tag gewesen. Immer, wenn ich halb eingeschlafen war, wäre ich fast aus dem Bett gefallen und schreckte aus dem Dämmerzustand hoch. Dadurch wurde Nathan wach, und ich musste ihm versichern, dass ich ihn nicht allein lassen würde. Ich nahm mir vor, Bella zu bitten, ihm morgen eine doppelte Dosis zu geben, damit ich schlafen konnte.
Im Wohnzimmer war Max lang auf der Couch ausgestreckt, ein seltsam aussehendes Buch lag auf seinem Gesicht. Inständig hoffte ich, dass sich in dem Ding keine Papierläuse befanden. Bella lag in einem Haufen Decken eingewickelt auf dem Boden und winselte leise wie ein Hund, der Albträume hat. Cyrus war nirgends zu sehen, doch die Tür zu meinem Zimmer war einen Spalt geöffnet.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und schob die Tür vorsichtig auf in der Hoffnung, dass sie nicht in den Angeln quietschen würde. In meinem Zimmer war alles so,
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