Besessen
schnippelte er sorgfältiger und versuchte sich am durchschnittlichen Haarschnitt seiner früheren Bodyguards zu orientieren. Es dauerte länger, als er angenommen hatte, und als es erledigt war, schmerzten seine Arme.
Hinter der Tür fragte der Moderator einer Unterhaltungs-Show nach dem Preis eines Geschirrspülmittels, und die Stimme von Mouse nahm die Antwort des Kandidaten vorweg.
Cyrus befeuchtete und scheitelte sein Haar. Seine eigenen, ausgesprochen guten Augen starrten ihn im Spiegel nieder. Mit der Bestie, die er einst gewesen war, hatte er keine Ähnlichkeit mehr.
Für einen beängstigenden Augenblick merkte er, dass ihm das gefiel. Dann nahm er die Schere wieder zur Hand.
So leise wie er konnte, öffnete er die Tür. Sie sah nicht vom Fernseher auf. Sonnenlicht fiel durch das schmale Fenster über ihrem Kopf und tauchte sie in einen Glorienschein schimmernder Staubteilchen. Obwohl sie erschöpft aussah, war die Sorge aus ihren Zügen verschwunden.
Ein Kandidat in der Show rief eine Zahl. Mouse schüttelte den Kopf. „Viel zu hoch.“
Cyrus machte langsame, behutsame Schritte. Er wolltenicht, dass sie ihn ansah, bevor er die Schere erhoben hatte. Dann, in der Sekunde, wo sie niedersauste, wollte er ihr Gesicht sehen, wollte sehen, wie die heitere Aufmerksamkeit daraus entwich, wie es sich verzerrte und erbleichte, das kurze Entsetzen, wenn der Todesstoß traf. Als er sich diese Schönheit vorstellte, zog sich seine Brust zusammen, und er rang mit einem unfreiwilligen Keuchen nach Luft.
Sichtlich erschrocken, drehte sie sich um.
Sie weiß es, schrie sein rasendes Gehirn. Mach schnell, sie weiß es.
Der Schreck in ihrem Gesicht schmolz zu einem kleinen Lächeln. „Du hast dir die Haare geschnitten.“
Noch nie hatte er sie wirklich lächeln sehen. Sie war nicht schön, aber der harmlose Ausdruck verwandelte sich, ihre Gewöhnlichkeit wurde zu schlichter Anmut. Doch was seine Lungen gefrieren ließ und die Luft im Raum zu dick zum Atmen machte, war die tiefere Bedeutung ihres Lächelns. Irgendwann in der Nacht, als sie an seine Seite gekuschelt lag, war ihre Angst vor ihm verschwunden.
Falls sie seine Not bemerkt hatte, zeigte sie es nicht. Ihr Lächeln wurde breiter. „Das sieht gut aus.“
Cyrus hatte nie Selbstmitleid empfunden. Es war leicht gewesen, selbstsicher zu sein, solange er wusste, dass er angebetet wurde. In diesem Augenblick hätte er alles getan, um wieder solche Zuversicht zu verspüren. Er tastete nach seiner gekürzten Mähne und wurde zu spät gewahr, dass er die Schere noch in der Hand hielt.
Ihr Lächeln stockte. Obwohl sie es zurückgewann, war der Ausdruck gezwungen. Schmerzlich. „Wofür ist die?“
Lügen gehörte nicht zu den Fähigkeiten, die im Transit von der Unsterblichkeit zum Tode und zurück zur Sterblichkeit verloren gingen. Beiläufig jonglierte er die Schere voneiner Hand in die andere. „Ich dachte mir, dass sie in der Küche nützlicher ist.“
„Gute Idee.“ Langsam erhob sie sich, und obwohl er ihr den Rücken zuwandte, wusste er, dass sie ihm folgte.
So, sie fürchtet mich also doch noch. Der Gedanke machte ihn elend. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie zu töten.
Plötzlich, und mit erschreckender Deutlichkeit, schoss die Vision ihrer aufgeschlitzten Kehle und ihrem blutigen Kleid durch seinen Geist. Die Schere, eben noch ein einfaches, unspezifisches Werkzeug, schien auf einmal böse, als hätte seine Absicht sie irgendwie mit Tücke infiziert.
Ich kann es nicht. Cyrus wollte nicht darüber nachdenken, warum nicht. Die Gründe waren vollkommen egal, denn sie führten alle zu der einen harten Wahrheit. Er war wirklich der Schwächling, den sein Vater in ihm gesehen hatte.
Sorgsam legte er die Schere in eine Schublade und widerstand dem Verlangen, sie mit einem Knall zuzustoßen. War es denkbar, dass seine Fänger dies alles geplant hatten? Wollten sie, dass er versuchte, sie zu töten, dass er erwog, sich selbst umzubringen? War das eine geplante Folter?
Hinter ihm gab Mouse einen kleinen erlösten Seufzer von sich. Cyrus drehte sich um und wusste nicht, ob er sich ärgerte, weil sie ihm misstraut hatte, oder sich schämte, weil er ihr Misstrauen verdiente. Tränen standen in ihren Augen, aber sie lächelte. „Ich wusste, dass du es nicht tun würdest.“
„Ach, ja?“ Einer spontanen Regung folgend wollte er ein Messer vom Tresen ergreifen und ihre Worte sofort widerlegen, aber die Wut in ihm war erloschen. Verzweiflung trat an ihre
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