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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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Alter?«
    »Mag sein«, sagte sie kühl, »aber wenigstens solltest du wissen, dass du so nicht existieren willst, sondern dir ein besseres Leben wünschst.«
    »Ich habe nie was Besseres erwartet«, sagte ich. Ich trank einen Schluck von meinem Kakao.
    Kritisch sah sie mich von oben bis unten an. »Dann hat das Kleid deinen Zauber also nicht zur Entfaltung gebracht   …?«
    »Wie meinst du das?«
    Sie lächelte ihr Katzenlächeln. »Bei dir und Merlin?«
    »Ich hab es dir schon mal gesagt, Genevieve: Ich will ihn nicht mehr.«
    »Er ist ja sowieso nichts weiter als ein Trugbild. Das hab ich ziemlich schnell bemerkt.«
    »Du hast ihn nur gewollt, weil ich ihn wollte«, konterte ich. »Das ist doch mehr als offensichtlich.«
    Sie zuckte mit den Achseln und gab einen Laut von sich, der alles hätte heißen können. »Was soll’s, ich gehe sowieso bald weg von hier   … aber das weißt du ja bereits.«
    »Ich habe davon gehört.«
    Sie gähnte und reckte die Arme. »Zu schade, dass es sich nicht lohnt, dir dein Leben zu nehmen. Wenn ich an deiner Stelle wäre   … und dieses Leben mit deiner durchgeknallten
Mutter
, deinen öden Freundinnen und deinem Retortenfreund wäre meins gewesen   … ich weiß wirklich nicht, was ich getan hätte.«
    »Willst du deshalb weg von hier?«, fragte ich gelassen.
    Sie nickte. »Ich hatte viel Zeit nachzudenken. Vielleicht hatte all das ja sein Gutes.«
    »Ich werde dich ganz sicher nicht vermissen«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es nicht besonders fair war.
    Genevieve stand auf und sah sich unsere Familienfotos an. »Dir hab ich doch nur einen Gefallen getan, Katy. Als ich kam, warst du in einem jämmerlichen Zustand   … so trutschig wie ein graues Mäuschen. Inzwischen bist du   … ziemlich attraktiv geworden und hast an Selbstbewusstsein zugelegt.«
    Plötzlich empfand ich es als nachteilig, auf meinem Stuhl zu sitzen, während Genevieve mich stehend überragte. Also stand ich auf, fühlte mich aber unwohl in dem Kleid, das wir beide hatten haben wollen, und war froh, dass ich meinen Mantel noch nicht abgelegt hatte. Ich zog ihn enger um mich, denn im Haus war es eiskalt; der Wind pfiff durch die Ritzen und Löcher im Dach, durch die Fenster und selbst durch die Fußbodenleisten. Das Haus war schäbig und verwahrlost und es war mir eine unangenehme Erfahrung, es unverhofft mit Genevieves Augen zu betrachten. Mir kam es vor, als würde ein Dieb unseren persönlichen Besitz durchstöbern.
    So versuchte ich, meiner Stimme einen Anstrich von Endgültigkeit zu geben, und sagte: »Dann   … sind wir also beide froh, unsere eigenen Wege zu gehen.«
    »Ja   … deine durchgeknallte Mutter ist aus dem Schneider.«
    Es war jetzt schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass sie Mum als durchgeknallt bezeichnete. »Sie hat in ihrem ganzen Leben keiner Fliege was zuleide getan«, erwiderte ich scharf.
    Genevieves Gesicht verfinsterte sich. »Dann weißt du’s also immer noch nicht   …«
    Ich sah ihr direkt ins Gesicht und versuchte, souveräner zu klingen, als ich mich fühlte. »Doch. Mum hat mir die Wahrheit gesagt.«
    Die grünen Augen leuchteten gefährlich. »Und um welche Wahrheit ging es da?«
    »Dass deine Mutter drogensüchtig war. Meine Mum hat im gleichen Haus gewohnt wie sie und die Polizei an dem Morgen benachrichtigt, an dem sie   …« Ich konnte das Wort
starb
nicht über die Lippen bringen, aber Genevieve schloss die Augen, als ob ein plötzlicher Schmerz sie durchzucken würde. »Genau genommen hat sie dir das Leben gerettet, Genevieve. Du warst erst ein paar Tage alt, hast jämmerlich geschrien und warst durch nichts zu trösten.«
    Genevieves Lippen bewegten sich lautlos, während sie ganz offensichtlich verarbeitete, was ich gesagt hatte. »Das hat sie dir erzählt? Und du hast es geglaubt?«
    »Natürlich.«
    »Aber diese Version liefert keine Erklärung für den entscheidenden Punkt.«
    »Und der wäre?«
    »Wir beide   – du und ich.«
    »Ach, das spielt sich alles nur in deinem Kopf ab«, sagte ich mit Nachdruck, obwohl mein Magen bereits wieder revoltierte.
    Genevieve betrachtete mit scheinbarer Gelassenheit ihre Fingernägel und erwiderte: »Deine Lieblingsfarbe ist Indigoblau, du beobachtest gern die Wolken am Himmel und suchst darin Gesichter, dir wird schlecht, wenn du Fleisch riechst, und fühlst dich wie ein Außenseiter, du hast Angst vor Wasser und magst deine Zehen nicht, weil sie kleine Höcker haben, und   … ach ja, den

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