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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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glaube, das ist die falsche Spur   … ist alles viel zu weit hergeholt.«
    Ich biss mir in die Innenseite meiner Wange, als wir ins Auto stiegen, fest entschlossen, Luke nichts von den Abschiedsworten der alten Dame zu erzählen.
    »Trotzdem ist etwas faul an der Sache, Luke. Sie hat uns davor gewarnt, Grace zu nahe zu kommen, so als ob sie Angst hätte oder da etwas wäre, das sie uns nicht erzählen will.«
    Ich war niedergeschlagen und konnte es auch nicht verbergen. »Du glaubst nicht daran, dass Grace Genevieve ist, oder?«
    Luke lächelte betrübt. »Nein, das alles ist viel zu unwahrscheinlich   … die misstrauischen Dorfbewohner, das Feuer, das sie nicht verbrannt hat, und diese komische alte Frau mit ihren abergläubischen Warnungen.«
    Ich streckte die Hand nach Luke aus, um ihn daran zu hindern, loszufahren, und riss unvermittelt die Wagentür auf. »Ich habe meinen Schal vergessen   … bin gleich wieder da.«
    Mit klopfendem Herzen rannte ich den ganzen Weg zu dem Haus der alten Frau zurück, übermannt von dem unwiderstehlichen Drang, sie zu fragen, was ihr rätselhafter Ratschlag zu bedeuten hatte. Ich klopfte an die Tür, doch niemand machte auf und so spähte ich durch die winzigen Fenster, weil ich dachte, sie sei vielleicht schwerhörig. Ich sah ein zweites, ein drittes Mal hinein, rieb mir die Augen,aber nein, ich bildete es mir nicht ein   – das warme gemütliche Zimmer, das wir eben erst verlassen hatten, sah kalt und leer aus; kein knisternder Holzofen, keine Katze, die sich träge an ihm wärmte. Ich hämmerte wieder an die Tür und gab auf, weil ich Luke ungeduldig nach mir rufen hörte. Ich achtete darauf, dass keine Regung meines Gesichts etwas verriet, als ich zu ihm ins Auto stieg.
    Luke ließ den Motor an. »Kann’s losgehen?«
    Ich nickte und wir fuhren los, beide erleichtert, endlich wieder auf der einzigen Straße zu sein, die aus dem Dorf herausführte.

Kapitel 14
    S ie war das schönste Kind, das ich jemals gesehen hatte   – ihre Haare glichen gesponnenem Gold, ihre Haut Porzellan und sie strahlte die reinste Unschuld aus. Sie glitt die geschwungene Treppe hinauf, ohne mit den Füßen das Holz zu berühren, und schwebte dann den Gang entlang bis zu dem Zimmer, in dem der Frisiertisch stand. Ich folgte ihr, zum ersten Mal ganz ohne Angst und Sorge. Das Kind war Genevieve, aber noch gänzlich unverdorben, rein. Sie winkte mich auf den Stuhl neben sich, nahm meine Hand in ihre und unsere Finger schlangen sich ineinander. Doch irgendetwas störte diese Harmonie; ihre winzigen, vollkommen gerundeten und rosigen Fingernägel stachen mir in die Handfläche und ich versuchte, meinen Griff zu lockern. Doch es gelang mir nicht und der Schmerz wurde heftiger und heftiger. Als ich hinab auf ihre Nägel sah, da waren sie zu gelben, eingerollten Klauen geworden, die sich in meine Hand hineinbohrten, bis Tröpfchen scharlachroten Bluts den Boden färbten. Doch Genevieve ließ mich nicht los, sie würde mich nie wieder loslassen. Ich wollte den Kopf nicht heben, musste aber in den Spiegel sehen, aus dem mir Genevieve entgegenblickte, die jetzt zu einem runzeligen alten Weib mitHakennase, schwarzen Zähnen und Luchsaugen geworden war.
    Sie verhöhnte mich und wippte mit hysterisch schrillem Lachen hin und her. Da wachte ich auf und zitterte am ganzen Körper.
    Sobald die Schrecken des Traums von mir abfielen, war mein erster Gedanke, dass ich Nat unbedingt treffen musste, bevor wir uns morgen im College begegneten. Ich musste ihr in die Augen sehen und mich davon überzeugen, dass sie mir auch noch glaubte, nachdem sie Zeit gehabt hatte, alles zu überdenken. Das mochte schmerzlich für mich ausgehen, aber meinem Seelenheil war ich es schuldig. Ich warf die Bettdecke zurück und streckte die Zehen nach meinen Hausschuhen aus, da ich wusste, wie kalt die Holzdielen mit einem Mal geworden waren. Dann sah ich durch einen Spalt im Vorhang kleine Pfützen mit Kondenswasser auf den Fensterbrettern. Das war schon ewig nicht mehr vorgekommen. Im Winter war es meist so kalt in meinem Zimmer, dass ich gelegentlich meinen Atem sehen konnte, und einmal war die Innenseite meines Fensters sogar vereist gewesen. Ich zog meinen dünnen Morgenmantel enger um mich und überlegte, ob es Zeit war, meinen wollenen Lieblingsbademantel mit den Streifen und den dicken Schlafanzug herauszuholen.
    Es war erst acht Uhr morgens, zu früh also, um Nat anzurufen, und unruhig überlegte ich, wie ich die nächsten

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