Besessene
alleine war, und oftmals lagen einer Anklage wegen Hexerei Streitigkeiten in einem Dorf zugrunde. Selbst Kinder zog man schon als glaubwürdige Zeugen zu Aussagen vor Gericht heran.« Plötzlich fielen mir die Worte der alten Frau wieder ein und mich fröstelte.
»Das ist alles sehr interessant, Katy«, sagte Mum lächelnd. »Wird aus dem Thema eine Collegearbeit?«
»Gewissermaßen«, log ich.
»Wenn du Hilfe brauchst, frag mich ruhig. Ich bin richtiggehend fasziniert von deinen Nachforschungen.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
Jetzt fühlte ich mich wieder beschwingt, ging zurück in mein Zimmer und schrieb eine SMS an Nat, auf die sie nicht umgehend antwortete, was ich als schlechtes Omen wertete. Ich machte mich an meine Recherche und durchforstete alle dokumentierten Hexenprozesse in der Umgebung von York, doch Luke hatte recht gehabt: Keine der Yorkshire-Hexen passte zu dem Profil einer Mutter, die von der eigenen Tochter angeklagt worden war. Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, stellte ich fest, dass ich fast drei Stunden lang mit kurzen Unterbrechungen vor dem Computer gesessen hatte und nur noch verschwommen sah.
Ich stand auf, streckte mich, gähnte, ging auf und ab und zermarterte mir das Hirn, weil ich noch immer fest entschlossen war, Luke einen Beweis zu liefern. Die alte Dame hatte mir auf kryptische Weise zu verstehen gegeben, dass ich nach Genevieves Schwachstelle suchen solle; ich verstand es als Anspielung darauf, ein Mittel zu finden, wie ich sie abwehren konnte. Ich beugte und streckte meine Finger, als ob ich gleich ein Klavierkonzert geben müsste, und ging wieder auf Google.
Wie man eine Hexe abwehrt.
Meine Augen leuchteten auf. Das war spannend, weil die Methoden so unterschiedlich waren. Sie umfassten die Anwendung von Stechpalme, Weißdorn und Eichenholz zum Schutz des Außenbereichs eines Hauses über das Verscharren einer Katze im Fundament bis dahin, einen Besenstiel oder ein eisernes Schwert auf die Türschwelleeines Hauses zu legen. Ich hörte Mum rufen, ich solle herunterkommen, doch mir war noch etwas anderes ins Auge gesprungen. Es war ein kurzer Text über einen renommierten Historiker, der viele außergewöhnliche Artefakte in einem Haus entdeckt hatte, das unter Denkmalschutz stand und das er vor dem Verfall gerettet hatte. Was meine Aufmerksamkeit jedoch mehr erregte, war die Tatsache, dass dieses Haus in Appleby, dem Nachbardorf von Lower Craxton, stand, durch das Luke und ich auf dem Nachhauseweg gefahren waren. Genauso malerisch, war es viel größer, mit eigenem Pub, alter Kirche und Dorfschule. Aus irgendeinem Grund zitterten meine Finger, als ich die Seite nach unten scrollte.
Während der Renovierungsarbeiten von ›Martinwood‹ brachte Thomas Winter einige ungewöhnliche Artefakte zutage und berichtete den Reportern der lokalen Zeitung, dass man vor vielen Hundert Jahren Gegenstände, die dem Aberglauben verhaftet waren, an ausgewählten Orten deponierte, um böse Geister abzuwehren. Winter selbst war davon überzeugt, dass in seinem Haus ein böser Geist sein Unwesen trieb. Später allerdings setzte er eine schriftliche Entschuldigung in Umlauf, in der er zugab, den Bericht nur erfunden zu haben, um das Interesse an der Geschichte des Dorfes zu wecken und den Tourismus in der Gegend anzukurbeln.
Mit schwirrendem Kopf trabte ich nach unten. Mum sah sehr zufrieden mit sich aus. Offenbar war sie in den nächstgelegenen Laden gegangen, während ich vertieft in meine Recherche gewesen war, und hatte uns Bohnenkaffee und leicht klebrige Schoko-Eclairs spendiert. Sie drückte den Stempel in die Druckkaffeekanne und schenkte mir eineTasse Kaffee ein. Ich atmete den köstlichen Duft ein und nahm einen großen Schluck, bevor ich Mum die Frage stellte, die mir auf der Seele brannte.
»Mum? Welchen Grund könnte ein anerkannter Historiker haben, eine Geschichte zu erfinden, in der er behauptet, in seinem uralten Haus spuke es und er habe lauter gespenstisches Zeug darin gefunden?«
Nachdenklich strich sie sich mit der Hand über das Kinn. »Die Leute lassen sich alle möglichen verrückten Sachen einfallen, Katy.«
»Aber es kommt mir so skurril vor«, bohrte ich weiter, »trotz seiner späteren Erklärung.«
»Vielleicht wollte er ja nur öffentliche Aufmerksamkeit«, meinte Mum, »oder er hat sich wirklich verrannt und wollte etwas finden, was es dort gar nicht gab … oder aber… er war einfach besessen von Hexen, so wie wir.« Sie lachte. »Ist es
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