Besessene
gefreut.«
»Ja, das hat sie.« Sie musterte ihre Fingernägel. »Deine Freundinnen hab ich schon längst erobert … jetzt fehlt mir nur noch einer.«
»Du meinst Merlin?«
Sie zuckte lässig mit den Schultern.
»Willst du vielleicht behaupten, er hat es dir noch nicht erzählt?«
»Was?«
»Merlin war vor den Herbstferien bei mir und … leider … hab ich mich von ihm trennen müssen.«
»Wer’s glaubt, wird selig«, sagte sie mit gedehnter Stimme. »
Du
willst mit Merlin Schluss gemacht haben?«
»Frag ihn, wenn du mir nicht glaubst.«
Sie brauchte einige Sekunden, um diese Nachricht zu verdauen, und ihre Zungenspitze tauchte zwischen ihren Lippen auf. »Du meinst, er wollte sich von dir trennen, aber du bist ihm zuvorgekommen, um dein Gesicht zu wahren.«
»Ganz und gar nicht«, stellte ich klar. »Er wollte, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen, aber ich … ich habe mich von ihm erstickt gefühlt.«
Sie schlug einen hohen Kleinmädchenton an und sagte mit vernichtendem Sarkasmus: »Vielleicht wäre ja alles anders gekommen, wenn ihr zwei eure romantische Nacht miteinander verbracht hättet. Aber das werden wir wohl nie erfahren.«
Ich machte einen Schritt auf sie zu und antwortete mit süßlichem Grinsen: »Jetzt gehört Merlin jedenfalls dir und bald wird jeder wissen, dass du nur Ersatz bist … die Zweitbeste sozusagen, weil ich ihn nicht mehr wollte.« Ihr Gesicht war ein Bild für die Götter, als sie sich bemühte, ihre Gefühle zu beherrschen, und so streute ich noch mehr Salz in die Wunde. »Jetzt ist er nicht mehr ganz so attraktiv wie vorher, stimmt’s, Gen? Du solltest ihn genießen, solange du ihn hast.«
Erst dachte ich, ich hätte sie tatsächlich getroffen, doch dann lachte sie so schrill, dass mir das Blut gefror. »Dir hat er nie gehört … nicht eine Sekunde lang. Ich habe eure Beziehung nur geduldet, weil es mir in den Kram gepasst hat …«
»Wer’s glaubt, wird selig.«
Sie seufzte sehnsüchtig und sah in den weißen Himmel hinauf. »Ich könnte dich da jetzt hinunterstoßen … ein kleiner Schubs und alle würden denken, Katy ist gestolpert. Leichtsinnige Kat … hat oben auf der Treppe gewartet, anstatt den Lift zu nehmen.«
Ich war tatsächlich leichtsinnig gewesen, mich so in die Enge treiben zu lassen. Ganz automatisch hatte ich den Haupteingang genommen und war nicht mit dem Lift zur Straßenebene hinuntergefahren.
»Was für eine Befreiung das wäre«, flüsterte sie.
»Du bist ja nicht mal in der Lage, dir ein eigenes Leben aufzubauen«, sagte ich herausfordernd. »Deswegen stiehlst du mir ja meins. Wie armselig!«
Genevieve machte eine kleine wirbelnde Bewegung mit der Hand, als ob sie etwas in die Luft schreiben würde. »Es bedurfte nur einiger weniger Pinselstriche und schon warst du ausradiert.«
Ob sie auf das Gemälde anspielte? Sie ging nicht näher darauf ein und ich hielt mich an der ganz und gar unrealistischen Hoffnung fest, dass Merlin es ihr nicht gezeigt hatte. Ich schob den Fuß bis zur vorderen Kante der obersten Treppenstufe und blickte so lange starr nach unten, bis sich die Welt vor meinen Augen drehte. Ich fühlte mich wie ausgeliefert, war mir aber gleichzeitig des Gewichts in meiner Hand und der Kälte von Glas und Metall bewusst.Fast wäre ich gestolpert, konnte mich gerade noch an Genevieves Jacke festhalten, was die Gelegenheit bot, auf die ich lange gewartet hatte. Ich ließ den Anhänger in ihre Jackentasche gleiten, richete mich gerade auf und fühlte mich sogleich viel ruhiger.
»Das machst du wohl mit allen so, auf die du wütend bist, was?«, sagte ich mit frisch gestärktem Selbstvertrauen.
Genevieve schob das Kinn vor. »Vielleicht solltest du mehr auf der Hut sein.«
»Das mit deinen Adoptiveltern tut mir ja entsetzlich leid«, sagte ich spöttisch. »Ich habe von deiner traurigen Geschichte gehört … aber irgendwie scheint mir, als ob alle, die dir nahekommen, sterben müssen.«
Fast wirkte sie erfreut, als ich das sagte, und sie verzog die Mundwinkel. »Gut, dass du’s begriffen hast. Andere Leute unterschätzen mich gern, aber du nicht – wir zwei verstehen uns.«
Mir kam der skurrile Gedanke, dass ich an einem Montagnachmittag um 15.30 Uhr Zeugin eines Mordgeständnisses geworden war. Doch plötzlich packte Genevieve mich am Handgelenk und in meinem Kopf tauchte ein grauenhaftes Bild auf: Ich selbst stand vor dem brennenden Cottage und sah, wie die Flammen nach dem Holz
Weitere Kostenlose Bücher