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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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züngelten, hörte das Splittern von Glas und die furchtbaren Schreie der Menschen, die drinnen gefangen waren wie in einer Falle. Ich sah, wie Genevieve sich freute, spürte ihre Genugtuung über das, was sich vor ihren Augen abspielte   – ohne jede mitleidige Regung. Ich hatte sie unterschätzt. Wenn sie wirklich zu einer solchen Tat in der Lage war, dann musste ich jetzt handeln.
    »Es könnte sein, dass Mum und ich von hier wegziehen«, sagte ich schnell. »In eine andere Stadt, um noch mal ganz von vorne anzufangen.«
    »Dafür ist es zu spät, Katy.«
    »Zu spät?«, wiederholte ich. »Aber du wolltest doch, dass ich verschwinde und dir den Weg frei mache.«
    Mit gespieltem Bedauern zog sie die Nase kraus. »Ja, stimmt, das wollte ich. Aber jetzt   … reicht mir das nicht mehr. Du wärst ja immer irgendwo da draußen in der Welt   … und damit käme ich nicht zurecht.«
    »Und was soll ich dann tun? Sterben?«
    »Am liebsten wäre mir, du wärest nie geboren worden. Deswegen sind wir uns begegnet.«
    Wie immer sprach sie in Rätseln, doch diesmal musste ich sie einfach fragen: »Wie hast du mich eigentlich gefunden?«
    Genevieve schien ganz leicht auszuatmen, denn ein zarter Lufthauch streifte meine Wange. »Du kennst die Antwort   … sie ist dir nur noch nicht bewusst.«
    Ich kniff die Augen zu   – und schon war sie verschwunden. Dafür stand Nat jetzt neben mir und schimpfte, weil ich nicht den Lift genommen hatte.
    Als ich zu Hause ankam, war ich so beunruhigt, dass ich mich in meinem Zimmer einschloss. Mir wurde schlecht, wenn ich nur daran dachte, dass Genevieve das Bild gesehen haben könnte. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und gab einen tiefen Seufzer von mir. Da sah ich mich plötzlich in meinem Spiegelschrank und schreckte regelrecht zurück   – so grausam und so rachsüchtig blickte ich mir daraus entgegen, dass ich mich selbst kaum kannte. Ichatmete mehrmals tief durch und strich mir über Wangen, Stirn und Mund, um diese fürchterliche Miene wegzuwischen. Mit Luke zu sprechen hätte mir jetzt gutgetan, aber es hatte keinen Sinn, ihm zu erzählen, was geschehen war, bevor er von seinem Workshop zurückkehrte.
    Ich hatte das Gefühl, heute ein Stück vorangekommen zu sein. Nur   – wie sollte es jetzt weitergehen?

Kapitel 29
    D er Zug war bereits brechend voll, doch der Umstand, dass ich humpelte, wirkte wohl so mitleiderregend, dass er mir zu einem Fensterplatz verhalf   – wenn auch neben einem Typen mittleren Alters, der eine Brotzeitdose vor sich auf dem Tisch aufgebaut hatte, Eiersandwiches in sich hineinmampfte und dazu aus einer Thermosflasche trank. Sobald wir die Stadt hinter uns ließen, veränderte sich die Szenerie jenseits des Zugfensters   – Hochhäuser, Fabriken und Einkaufszentren wichen Kuhweiden und abgelegenen Farmen und nur die riesigen Hochspannungsmasten verunzierten die Landschaft. Meinen kleinen Ausflug hatte ich ganz spontan geplant und mich bei Gran und Granddad kurzfristig telefonisch angekündigt; doch jetzt kam der schwierigere Teil, denn ich musste mir überlegen, was ich den beiden als Grund für meinen Besuch nennen wollte. Ich hatte eine Stunde Zeit, um mir irgendeine Story auszudenken. Ich lehnte den Kopf nach hinten an die Kopfstütze, damit ich meine Gedanken besser schweifen lassen konnte, war aber so müde, dass mir die Augen schwer wurden und schließlich sogar zufielen.
    Vor uns stand der dreiteilige geschnitzte Spiegel. Genevieve und ich saßen Seite an Seite auf einem gepolstertenHocker und unsere Bewegungen schienen   – wie in einer Art Scharade   – genau aufeinander abgestimmt zu sein. Auf dem Frisiertisch lagen eine antike silberne Bürste und ein silberner Kamm, und als ich die Bürste anhob und an meine Haare hielt, ahmte Genevieve diese Bewegung so exakt nach, als wäre sie mein Spiegelbild. Ich führte meine Gebärden schneller aus, um sie daran zu hindern, sie mir nachzuahmen, aber ihr Timing war perfekt und ich konnte sie nicht abhängen. Ich wurde noch schneller, weil ich hoffte, dass sie vielleicht einen Fehler machen würde, doch bald schon holte sie mich ein bei unserem kleinen Spiel und plötzlich merkte ich, wie ich nun ihren Bewegungen folgte und meine eigenen nicht mehr steuern konnte. Sie brachte mich sogar dazu, die Hände zuckend zu bewegen und hemmungslos mit dem Kopf zu wackeln. Mich verwirrte und erschöpfte dieses Spiel, aber Genevieve konnte kein Ende finden und zog an meinen Schnüren, als ob ich

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