Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
gegen den ich kämpfen sollte, nicht angesehen. Er starrte mir jetzt mit nervösgespannter Miene entgegen. Ich lächelte zu ihm hinüber. Wenn er's bloß wüßte, dann brauchte er nicht nervös zu sein. Es war ein Italiener, Tony Gardella, der drüben in der Bronx kämpfte.
Der Gong ertönte. Ich trat in die Mitte des Rings und fühlte mich sonderbar leichtfüßig und selbstsicher. Das Bewußtsein, diesen Kampf verlieren zu müssen, gab mir die ungeheure Zuversicht, mit Leichtigkeit siegen zu können, die ich nie zuvor gehabt hatte. Ich machte mir ja keine Sorgen mehr um den Verlauf des Kampfes, da mir das Resultat bereits bekannt war.
Ich stieß mit einer geraden Linken vor, um den Burschen etwas abzutasten und überlegte, ob er tatsächlich etwas konnte. Denn er war langsam mit seiner Parade, und ich stieß automatisch mit einer blitzschnellen Rechten in seine ungeschützte Verteidigung nach. Er taumelte. Instinktiv drängte ich nach, um ihn zu erledigen. Die Menge brüllte. Der Sieg war mein, das wußte ich. Doch plötzlich erinnerte ich mich: ich durfte ihn nicht erledigen, ich mußte ja verlieren. Ich ließ es daher zu, daß er sich in einen Clinch rettete und mich dadurch festhielt. Zur Täuschung brachte ich auf Gardellas Rücken ein paar leichte Schläge an. Als ich spürte, daß ihm die Kräfte zurückkehrten, schob ich ihn von mir und hielt ihn mir für den Rest der Runde fern. Ich durfte nicht riskieren, ihn zu schwer anzuschlagen.
Der Gong ertönte, und ich kehrte in meine Ecke zurück. Spritzer kochte vor Wut und schrie mich an : »Du hast ihn doch schon gehabt, warum hast du ihn nicht erledigt?«
»Ich konnte nicht richtig an ihn 'ran«, antwortete ich rasch. Ich mußte vorsichtiger sein, sonst erriet er, was hier gespielt wurde. »Halt's Maul!« schnauzte er mich an, »spar deinen Atem!« Als der Gong ertönte, kam Gardella vorsichtig aus seiner Ecke. Ich senkte meinen Arm ein wenig und erwartete, daß er dort angreifen werde. Er blieb jedoch vorsichtig und hielt sich ständig außer Reichweite. Ich starrte ihn verwundert an. Wie, zum Teufel, erwartete er, das Match auf diese Art zu gewinnen? Sollte ich mich vielleicht selbst k.o. schlagen? Da ging ich zum Angriff über. Vielleicht konnte ich ihn so aus seiner Reserve herauslocken. Er zog sich aber sogleich zurück. Es war scheinbar schwerer, diesen Kampf zu verlieren, als ihn zu gewinnen.
Als wir uns wieder in unsre Ecken zurückzogen, begann die Menge zu pfeifen. Ich setzte mich mit gesenktem Kopf auf meinen Sessel, die Augen auf den Segeltuchbelag geheftet.
Spritzer schrie wieder auf mich ein. »Stürz dich auf ihn! Laß ihm keine Zeit zurückzuweichen. Du hast ihn bereits schwer angeschlagen, deshalb weicht er dir aus.«
Beim Gongzeichen kam ich rasch aus meiner Ecke und war bereits über die Mitte des Rings, als ich ihn traf. Er schlug wild auf mich los. Auch er hatte Befehl erhalten, endlich zu kämpfen. Einige Schläge fing ich durch reine Reflexbewegungen ab. Wie dieser Bursche je ins Finale kommen konnte, würde mir ewig ein Rätsel bleiben; er war ja viel zu langsam. Es war eine Affenschande, so einen armseligen Kerl gewinnen zu lassen; doch es mußte sein, ich hatte den Handel abgeschlossen. Mit voller Absicht vernachlässigte ich einen Moment lang meine Verteidigung. Seine Schläge trafen meinen Arm. Es war fast wie eine Belohnung. Mir war, als bestünde ich gleichzeitig aus zwei Personen. Eine war froh und erleichtert, daß die andre die Schläge erhielt.
Jetzt war's für mich aber an der Zeit, mit einem Gegenangriff zu beginnen. Es mußte ja korrekt aussehen. Pfeifend stieß meint Rechte vor. Sie wurde leicht abgefangen, und ich bekam einen Schlag in den Magen. Und jetzt lächelte der Bursche selbstsicher. Das reizte mich maßlos. Er hatte kein Recht, so anmaßend zu sein. Ich würde ihm ein paar Schläge zu kosten geben, die ihm Respekt vor mir beibringen sollten. Ich schoß mit meiner Linken vor und ließ einen Kinnhaken mit der Rechten folgen, beides konnte er leicht abwehren. Jetzt wurde ich richtig wütend. Ich verfolgte seine tänzelnde Gestalt. Schmerzhafte Schläge trafen mich, ich schüttelte sie aber ab. Ich mußte diesem lächerlichen Nichtskönner einen Schlag versetzen, der ihn lehren sollte, wer hier der Boß ist; dann konnte er dieses gottverdammte Match gewinnen. Plötzlich erfolgte in meinem Gesicht eine betäubende Explosion, und ich fühlte, daß ich auf die Knie ging. Ich versuchte aufzustehen, aber meine Beine
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