Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
wünschen.
ICH WAR NICHT DABEI, ALS...
Mimi saß vor dem Toilettentisch und weinte hemmungslos. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihre Wimperntusche hinterließ lange schwarze Streifen. Sie drückte ihr Taschentuch hilflos an die Lippen.
Papa drehte sich nervös um. »Weshalb weint sie denn?« fragte er Mama. »Es ist doch ihr Hochzeitstag! Was gibt's da zu weinen?«
Mama sah ihn ärgerlich an, dann nahm sie ihn am Arm und schob ihn aus der Türe und in die kleine Trauungskapelle. »Geh und kümmere dich um die Gäste«, sagte sie energisch, »bis zum Beginn der Zeremonie hat sie sich wieder erholt.«
Trotz seines Protestes schloß sie die Türe hinter ihm und drehte den Schlüssel um. Ihr Gesicht war ganz ruhig und voll von gütigem Verstehen, während sie auf das Ende des Tränenausbruchs wartete. Es dauerte nicht lange, denn bald darauf hörte Mimi zu weinen auf und saß, zart und klein, ganz zusammengesunken in ihrem Sessel. Sie starrte auf ihr Taschentuch, das sie nervös in den Händen hin und her drehte.
»Du liebst ihn nicht«, sagte Mama ruhig.
Mimi fuhr auf. Einen Moment sah sie Mama in die Augen, dann blickte sie wieder weg. »Ich liebe ihn«, antwortete sie mit einer ganz kleinen müden Stimme.
»Du brauchst ihn nicht zu heiraten, wenn du ihn nicht liebst«, sagte Mama, als hätte sie nicht gehört, was Mimi gesagt hatte. Mimi hatte sich jetzt wieder ganz in der Gewalt, sie sah Mama an, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihre Stimme klang ruhig und leidenschaftslos. »Jetzt ist alles wieder gut, Mama, ich war bloß dumm und kindisch.«
Doch Mamas Gesicht blieb ernst. »Du glaubst vielleicht, daß du, nur weil du heute heiratest, schon erwachsen bist? Vergiß nicht, daß wir noch unsere Einwilligung geben mußten.«
Mimi drehte sich um und sah in den Spiegel. Ihre Augen waren rotgerändert und ihr Makeup total ruiniert. Sie erhob sich rasch und eilte in die Ecke, in der sich ein Waschbecken befand. Mama streckte die Hand aus und hielt sie zurück. »Miriam«, sagte sie sanft, »du mußt dein ganzes Leben mit ihm verbringen, du mußt dein ganzes Leben mit den Gefühlen leben, die du heute für ihn hast. Dein.«
»Mama!« Der hysterische, verzweifelte Ausruf Mimis ließ Mama innehalten. »Sprich nicht weiter! Jetzt ist's zu spät!«
»Miriam, es ist nicht zu spät«, sagte Mama beharrlich, »du kannst dir's noch immer überlegen.«
Mimi schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. »Es ist zu spät, Mama«, sagte sie entschieden. »Es war schon damals zu spät, als ich zum erstenmal zu ihm ging, um herauszubekommen, wohin Danny gegangen ist. Was soll ich jetzt tun? Soll ich ihm vielleicht das ganze Geld zurückgeben, das er dazu verwendet hat, Danny zu finden? Soll ich ihm die fünftausend Dollar geben, die er Papa für sein Geschäft geliehen hat? Soll ich ihm alle Kleider und den Ring zurückgeben, die er mir geschenkt hat, und sagen, es tut mir schrecklich leid, alles war bloß ein Irrtum?« Der schmerzliche Ausdruck in Mamas Augen wurde immer stärker. »Alles ist besser«, sagte sie gelassen, »als daß du unglücklich wirst. Laß doch nicht zu, daß Papa und ich an dir dasselbe Unrecht begehen, das wir an Danny begangen haben.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Mimi zog Mama in ihre Arme. »Mach du dir keine Vorwürfe«, sagte sie rasch, »Papa war an allem schuld.«
»Nein, ich hätte ihn davon abhalten müssen«, sagte Mama gequält, »und deshalb spreche ich auch jetzt mit dir. Ich will denselben Fehler nicht nochmals begehen.«
Mimis Miene war jetzt entschlossen. »Hier gibt's keinen Fehler, Mama«, sagte sie bestimmt. »Sam liebt mich, und wenn ich ihn auch jetzt noch nicht so liebe, wie er mich liebt, so wird das mit der Zeit schon kommen. Er ist herzensgut, liebevoll und großzügig. Es wird bestimmt alles gt werden.« Mama sah sie fragend an.
Impulsiv beugte sich Mimi zu ihr hinunter und berührte ihre Stirn mit den Lippen. »Mach dir keine Sorgen, Mama«, sagte sie sanft, »ich weiß, was ich tue, und es ist genau das, was ich mir wünsche.«
Mimi setzte sich mit krampfhaft gespanntem Körper im Bett auf. Sie hörte, wie Sam im Badezimmer geräuschvoll die Zähne putzte. Plötzlich verstummte das Geräusch des rinnenden Wassers, und gleich darauf hörte sie das Knacken des Lichtschalters. Sie legte sich im Dunkeln rasch in die Kissen
zurück und rollte sich zu einem Knäuel zusammen.
Sie hörte, wie er, ohne Licht zu machen, auf
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