Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
auf die Fahrbahn getreten, als das Licht wechselte. Autos flitzten an uns vorbei, während wir in der Mitte der Fahrbahn stehenblieben. Plötzlich fühlte ich, daß mich der Polizist losließ, und sprang instinktiv vorwärts. Ich hörte erst einen leisen Fluch hinter mir, dann einen Schrei, während der Fahrer eines Wagens heftig auf die Bremsen trat. Ich drehte mich aber nicht um, um zu sehen, was geschehen war, sondern lief blindlings weiter. Hinter mir ertönte der Ruf: »Stehenbleiben! Stehenbleiben!« Eine zweite Stimme nahm den Ruf auf. Ich erkannte die schrille Stimme Morgans.
Da ertönte das Signal einer Polizeipfeife. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich die entfernteste Straßenecke schon erreicht und blickte über die Schulter zurück.
Morgan lag ausgestreckt im Rinnstein, und der Polizist stand neben ihm und sah mir nach. Er winkte mir mit der Hand, dann sah ich etwas Metallisches in seiner Hand aufblitzen. Er rief mir zu, stehenzubleiben, machte mir aber ein Zeichen, ich solle weiterlaufen. Da holte ich tief Atem - und raste um die Ecke.
7
Ich machte einen langen Umweg, ehe ich nach Hause zurückkehrte. Ich mußte Nellie sehen und ihr alles erklären. Ich mußte ihr sagen, was ich getan hatte und daß sie sich keine Sorgen machen solle. Als ich aber das Haus erreichte, sah ich bereits das weiße Dach des Polizeistreifenwagens vor der Haustüre. Ich blieb an der Ecke stehen und starrte hinüber. Zum erstenmal kam mir zu Bewußtsein, was ich getan hatte. Die Polizei war hinter mir her! Ich hatte alles nur noch ärger gemacht.
Ich überquerte die Straße und ging langsam den Häuserblock entlang. Verzweiflung erfaßte mich. Ich hatte alles verdorben. Ich blickte auf meine Uhr, es war einige Minuten nach zehn. Ich war ein Narr gewesen, und es gab jetzt nichts andres für mich, als zurückzugehen und mich selbst zu stellen. Wenn ich weiter so umherliefe, gäbe es kein Ende. Ich wäre nie mehr imstande zurückzukehren.
Ich kehrte um. Vielleicht war's besser, die Sache hinter mich zu bringen. Dann erinnerte ich mich. Die ganze Sache hatte begonnen, als ich erfuhr, ich müsse eine Kaution erlegen, um wieder entlassen zu werden, aber ich hatte auch jetzt keine Kaution. Ich blieb wieder stehen und dachte nach. Ich mußte das Geld irgendwo auftreiben. Nellies Leute hatten keine solchen Beträge zur Verfügung, selbst wenn sie bereit wären, mir damit auszuhelfen. Der einzige Mensch, den ich kannte, der soviel Geld zur Verfügung hatte, war Sam.
Ich erinnerte mich an unser letztes Gespräch. Komisch, wie sich die Dinge entwickeln. Es war am Tag nach Vickies Geburt gewesen. Er hatte geglaubt, ich sei wieder betteln gekommen. Damals hatte ich mir geschworen, ihn nie wieder um etwas zu bitten. Doch heute befand ich mich in wirklicher Bedrängnis. Es blieb mir nichts andres übrig. Es hieß, entweder zu ihm oder -ins Kittchen. Ich betrat die Konditorei an der Ecke und blätterte rasch im Telefonbuch. Ich versuchte zuerst, ihn zu Hause zu erreichen. Von der Telefonzelle aus konnte ich den Polizeistreifenwagen stehen sehen. Der Polizist, der im Wagen saß, rauchte heimlich eine Zigarette. Eine Frauenstimme meldete sich: »Hallo.«
»Ist Mr. oder Mrs. Gordon zu Hause?« fragte ich rasch und hielt die Augen auf den Polizeiwagen geheftet.
»Miß Gordon ist aufs Land gefahren«, erwiderte die Stimme, »Mr. Gordon ist noch im Büro.«
»Können Sie mir seine Telefonnummer geben?« fragte ich, »ich muß ihn sofort sprechen.«
»Gewiß«, erwiderte die Stimme, »einen kleinen Moment, ich werde sie heraussuchen.«
Ich schrieb mir die Nummer auf und legte den Hörer auf die Gabel, während ich in meinen Taschen nach einer Münze suchte. Nach dem Erfolg, den ich dabei erzielte, hätte ich ebensogut nach einer Goldmine suchen können. Ich hatte soeben
meine letzten fünf Cent verbraucht.
Ich blickte wieder zu dem Polizeiwagen hinüber. Der Polizist war ausgestiegen und schritt den Häuserblock in meiner Richtung herauf. Ich entschloß mich rasch, drückte mich aus der Konditorei und eiligst um die Ecke, ehe er nahe genug gekommen war, um mich zu erkennen.
Sams Büro befand sich im Empire State Building. Ich begann rasch auszuschreiten. Mit ein wenig Glück konnte ich in etwas mehr als einer halben Stunde dort sein. Ich hoffte, ihn dann noch anzutreffen.
Sein Name stand im Namensverzeichnis der 34. Straße: »Sam Gordon, Finanzierungen & Management.« Zweiundzwanzigster Stock. Ich eilte zu der weißen Tafel, auf der
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