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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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gerne Süßigkeiten mitgeben, viele Süßigkeiten, richtig übles, zähnefressendes Zuckerzeugs, damit sie es mit den zuckerunterversorgten, makellos biologisch und vollwertig ernährten Kindern teilen und ich ihre perfekten Eltern damit ärgern kann. Aber die Angst, meine wahre Natur könnte dabei zum Vorschein kommen, hält mich ab. Sie brauchen nicht zu merken, dass ich mich mit der Unterschichtsfriseurin solidarisch fühle, weil sie sonst noch herausfinden, dass die Frau des kunstsammelnden Immobiliengutmenschen unter ihrer Designer-meets-Vintage-Hülle auch nur eine Friseurin ist. Eine fette Friseurin. Eine fette Friseurin mit Vergangenheit. Und schlechten Zähnen. Schlechte Zähne darf man ja auch nicht mehr haben, auch die Zähne sind ein Gradmesser der Selbstachtung, und meine sind tadellos, nachdem ich sie mir erst in Ungarn überkronen und dann von Adams Zahnarzt nochmal richtig herrichten ließ, weil Adam sie nicht schön fand, und jetzt zeugt nichts mehr von ihrer ehemaligen Zerstörtheit, an der allerdings eher kein Zucker schuld war. Aber mich erwischt ihr nicht. Das käme denen unglaublich gelegen, so ein Striptease, so eine Enttarnung und öffentliche Enthüllung, das täte ihrem eigenen Ego wohl, und ihre verwöhnten, kleinen Bobo-Krämerseelen wären schlagartig gesund. Und deswegen bekommt auch Elena immer nur Bio-Obst in die Lillifee-Jausenbox, und weißes Bio-Joghurt und Bio-Vollkornbrot mit organisch korrekten Topfenaufstrichen, die sie hasst, und Bio-Müsliriegel biozuckerfrei. Ich bin wie ihr. Braucht ihr gar nicht auf die Idee kommen, dass ich nicht wie ihr bin, sondern wie die Friseurin. Ich bin eine gesunde, fitte, verantwortungsbewusste Supermutter zweier gesunder, fitter Superkinder, genau wie ihr.
    Weitgehend ungeklärt und offen umstritten ist übrigens, ob man rauchen darf. Rauchen ist ein Grenzfall, der von Kleinstbiotop zu Kleinstbiotop völlig unterschiedlich gehandhabt wird. Für die einen ist das Rauchen Systemkritik, Alltagsdissidenz, selbstloser Körpereinsatz im politischen Kampf gegen die Deliberalisierung der Gesellschaft und die zunehmende Entmündigung ihrer Mitglieder. Die anderen finden es einfach nur vollidiotisch und selbstmörderisch. Das Rauchen wird in unserem Freundeskreis sowohl kultartig zelebriert wie gelassen geduldet wie vollumfänglich geächtet. Bei den Mosers zum Beispiel, die alles zubereiten und verspeisen, was nur irgendwie essbar ist und die vermutlich auch vor aussterbenden Tierarten nicht zurückschrecken würden, ist das Rauchen von zusatznutzenfreiem Nikotin unglaublich verpönt; der Moser würde einen Tschick eher fressen, als ihn zu rauchen. Ausnahme: selbstgezogenes Gras, wenn der Moser schon sehr betrunken und die Vodkatotalsättigung erreicht ist. Die sonst so gesundheitsbewussten Läufer und Yoga-Tanten dagegen stecken sich eine an, wurscht, wo sie grad sind, durchaus auch in Gesellschaft kleiner Kinder, solange deren Eltern darob nicht grob Amok laufen. Rauchen gehört bei denen zum kreativen Input, man gönnt sich ja sonst nichts, ein kleines Laster kann, muss man sich gönnen, man ist ja kein Spießer. Das wetzt man dann mit mehr Laufen wieder aus. Morgen kaufe ich mir ein Paar schicke Laufschuhe, ich glaube, das wird mir guttun.

[zur Inhaltsübersicht]
    Einunddreißig
    Da ist er und atmet und schaut, und es ist gut. Er sitzt auf dem Bett, mager und lang, die Haare im Nacken zusammengebunden, ohne Schuhe, ein Kissen im Rücken, er lächelt, als ich den Mantel über einen Stuhl werfe und auf das Bett zugehe und auf ihn, er sagt hi, schön, dass du da bist, ich sage, finde ich auch. Normalerweise treffen wir uns in seiner Wohnung, aber dort ist gerade seine Mutter auf Besuch, also hat er uns ein Hotelzimmer genommen. Das Zimmer könnte, meiner Ansicht nach, besser sein: Es ist weiß, gelb und resopal und riecht aufdringlich nach Putzmitteln, und von irgendwoher dringt dumpf der Sound einer Bohrmaschine. Ist wohl ungefähr das Niveau, das er auf seinen Reisen gewohnt ist, anderthalb bis drei Sterne ca. Er hat einen «Guardian» auf den Knien und in der Hand … Heiligemariamuttergottes. Das Glas. Das Glas des Grauens. Dieses billige, gestauchte Sektglas, das mit der Pressnaht am kurzen Stiel, das mit dem Wulst am oberen Rand, das mit dem weißen Aufdruck einer Sektfirma darunter. Es ist das traurigste Glas der Welt. Es gibt auf der Welt nicht viel, das so klein ist und in das dennoch so viel Verzweiflung und vergebene Chancen passen wie in

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