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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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offensichtlich hatte er nach dem Dreh das Laufen wieder gelassen oder jedenfalls reduziert.
    Als ich auf dem Sofa saß und den Film sah, fühlte ich den intensiven Wunsch in mir, sofort loszulaufen, durch einen Wald, einen Feldweg entlang, neben dem Fluss in Jennys Wald, sogar durch die Stadt, und dabei langsam, aber sicher allen Ballast von mir zu werfen, all das, was mich einengt, bedeckt. Das suggerieren sie einem immer: dass man, wenn man nur lange genug läuft, irgendwann zu diesem Konzentrat seiner selbst wird, aus dem alles Sinnlose und Störende weggeschmolzen und herausgeschwitzt wurde, weggehauen, bis aus dem rohen, unförmigen Körperbrocken endlich die schöne, wohlgeformte Person, die darin steckte, zum Vorschein kommt.
    Jenny rennt auch immer, und ja, sie ist sehnig und schlank, aber ich glaube, so war sie immer schon. Vielleicht liegt es ja genau daran, vielleicht macht nicht das Laufen die Figur, sondern die Figur das Laufen. Dass man also mit so einer Figur automatisch gerne läuft, laufen muss, während die von Natur aus Dickeren und Dicken einfach nicht rennen können, komme was wolle, und deshalb bleiben die Dicken dick und die Dünnen naturgemäß und für immer dünn, wegen Laufzwangs. Heute muss natürlich jeder laufen, egal was die Natur für einen vorgesehen hat: Yoga oder Laufen, eins von beiden muss man machen, dazu Massagen und Wellness, sonst gilt man als unverantwortlich seinem Körper, seiner Gesundheit und vor allem seinen Kindern gegenüber, denen man, wenn man nicht läuft, Yoga und Wellness macht, jederzeit an einer Herzkreislauferkrankung wegsterben kann. Ich kenne eigentlich niemand, der es sich noch traut, keinen Sport zu machen. Ich kenne auch kaum jemanden, der dick oder ernsthaft übergewichtig ist, entweder weil es in unserem Freundeskreis keine Dicken gibt, oder weil sich die Dicken in einem fitten Freundeskreis irgendwann so unwohl fühlen, dass sie sich zurückziehen, ich weiß nicht, wohin. Vermutlich in einen dickeren Freundeskreis. So ähnlich wie die getrennten Frauen, wenn sie nicht schnell einen Neuen erwischen, ganz allmählich, aber absolut zuverlässig aus dem Pärchenfreundeskreis rutschen, je kinderloser desto schneller; und wenn sie nicht aufpassen, picken sie mit einem Mal in einem Singlefreundeskreis fest, wo sie fast nur noch mit anderen Singlefrauen ausgehen und zu Singlefrauenpartys eingeladen werden und erst recht keine Männer mehr kennenlernen, außer vielleicht im Internet. Mir ist bis heute nicht klar, ob das die Schuld der arroganten Paare ist, die sich in ihren Paarritualen von Singles gestört fühlen, weil ihnen ihre ostentative Liebe ein schlechtes Gewissen vor denen macht. Oder ob es die Paare irritiert und beunruhigt, durch die in den getrennten Frauen manifeste Tatsache, dass etwas Derartiges wie Trennung möglich ist und tatsächlich vorkommt. Oder ob die Paarfrauen die Singlefrauen aus Angst vor feindlicher Übernahme des eigenen Gatten verdrängen. Oder ob die Singles selbst das so wollen, weil sie diese blöden, verlogenen Pärchenrituale einfach irgendwann nicht mehr ertragen und sich mit ihresgleichen darüber lustig machen und herziehen wollen.
    So ähnlich verhält es sich mit den Dicken. Sie lösen in den Anderen Mitleid aus oder erzeugen ein schlechtes Gewissen, weil die Anderen eben nicht dick sind. Und sie machen ihnen Angst, dass sie auch dick werden könnten. In unserem Freundeskreis gibt es jedenfalls kaum alleinstehende und gar keine dicken Frauen. Außer bei Schwangerschaft natürlich, dann ist es erlaubt, jedenfalls innerhalb eines gewissen Zeitfelds, das aber nicht zu groß sein sollte. Auch nicht zu klein, das gilt als verstrebert und in kindesschädigender Weise ehrgeizzerfressen, weil es ja für einen Säugling nicht gut sein kann, wenn die Mutter ihn im Rahmen exzessiver sportlicher Aktivitäten vernachlässigt oder die ganze Zeit schlechte Laune hat, weil sie hungert, was während des Stillens als fahrlässig gilt. Jedenfalls sind die Frauen in meinem Freundeskreis spätestens ein Jahr nach der Entbindung wieder schlank oder in der Nähe davon. Bei den Männern ist es, außer sie leben von den darstellenden Künsten, etwas weniger streng. Bei den Männern gibt es Spielräume für Bierbäuche und eine gewisse männliche Stämmigkeit, wobei der Muskelmasseanteil den Fettanteil möglichst überwiegen sollte. So richtig fette Männer kenne ich auch nicht, das gälte als Zeichen mangelnder Selbstbeherrschung und

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