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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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die Wiege gelegt und von den Nazis geraubt worden war, schließlich mit ihren eigenen Händen neu erarbeitet hatte. Das Bewusstsein ihrer Stärke, der Stolz, der daraus erwächst, bleibt solchen Menschen für immer. Ich hatte ihn in den Augen von Adams Großmutter gesehen, und ich sah ihn jetzt in Zsusa, es war ihr Stolz, ihr hart erkämpftes Glück, und auch aus Zsusas Gesicht und Haltung würde dieser Stolz nie wieder weichen.
    Wir saßen auf dem Sofa und redeten weiter, während wir auf die Sozialarbeiterin vom Jugendamt warteten, die irgendwelche Formalitäten zu regeln hatte. Zsusa hielt Adile auf dem Schoß, sie sollte so sanft und angenehm wie möglich von uns zu ihrer Tante in ihr neues Zuhause wechseln, es sollte ihr gut gehen, bevor irgendwann der große Schmerz über sie hereinbrechen würde, bevor die Erinnerung an den Tod ihrer Mutter in ihrem Gehirn eine konkrete Form annehmen würde, die sie ihr Entsetzen und ihren Verlust begreifen lassen würde. Aber vielleicht käme das auch nicht so. Vielleicht würde sie sich nie daran erinnern, vielleicht hatte ihre gesunde, kindliche Seele das aus ihrem Organismus gedrängt, und aus ihrem winzigen, unentwickelten Babygehirn. Und vielleicht würde ihr Zsusa nie erzählen, dass sie einst eine andere Mutter gehabt hatte und einen Vater, der die Mutter getötet und ihre eigene, erste Biographie fast zerstört oder zumindest brutal abgeschnitten, abgestochen hatte, mit einem Küchenmesser, zehn oder zwölf Mal.

    Und dann war sie weg. Wir drückten und küssten sie, und Elena gab ihr einen weißen Stoffhasen mit pinkfarbenen Ohren mit in ihr neues Leben. Wir sagten ihnen, dass sie immer willkommen seien bei uns, Adam ging mit ihnen zur Tür hinaus und zog sie hinter sich zu, und obwohl er mit mir nicht darüber gesprochen hatte und ich nur unverständliches Gemurmel hören konnte, wusste ich, dass Adam Zsusa jetzt erklärte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche, dass für Adile gesorgt sei, bis sie auf eigenen Füßen stehen würde. Dann ging der Türflügel wieder auf, Adam war zurück in der Wohnung, und erst, als er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, bemerkte er, dass ich immer noch an derselben Stelle wie vorhin stand und ihn anschaute. Er sah deprimiert aus.
    «Was schaust du denn so?»
    «So halt», sagte ich.
    «Ach so», sagte Adam.
    «Lieb dich», sagte ich, und ich hörte, wie hölzern und unbeholfen es klang und wie total kitschig und in diesem Moment und an diesem Ort vollkommen deplatziert, weil, so was sage ich normalerweise nicht im Stehen im Vorzimmer, sondern ausschließlich im Bett, wenn es dunkel ist, und nur, nachdem Adam es mir gesagt hat. Ich fühlte, wie die Verlegenheit mein Gesicht rötete, und Adam bemerkte es auch und er sah mich mit großen, etwas verwunderten Augen an. Entweder weil er den Moment für ein solches Liebesgeständnis merkwürdig fand, oder weil er spürte, dass es zum ersten Mal, zum allerersten Mal in sechs Jahren, vollkommen aufrichtig gemeint war.
    Immerhin, er lächelte, während er eine halbnackte Barbiepuppe vom Boden aufhob.
    «Passt gut», sagte er. «Ich dich auch.»
    «Ich weiß», sagte ich. «Danke».
    Worauf Adam die Augen verdrehte und mir den Vogel zeigte und mit der Barbiepuppe in Elenas Zimmer verschwand, und ich blieb einfach noch eine Minute dort stehen und sah ihm nach und hörte ihn mit Elena flüstern und hörte Elena etwas sagen, mit fröhlicher Stimme, und hörte Juri den Baumeister-Song singen, ich stand dort und lauschte und es war ein bisschen so wie letzten Sommer im Wald.

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    Siebenunddreißig
    Zu meiner nicht geringen Überraschung war Moritz schon da, als ich ins Kent kam. Im zarten, rosa Abendlicht war ich absichtlich langsam über den Brunnenmarkt gegangen, wo die Händler gerade ihre Stände abbauten. Moritz saß an einem Tisch in der Ecke, und auf einmal wäre ich doch lieber vor ihm da gewesen, dann hätte ich mich nämlich zu den Rauchern gesetzt. Aber typisch. Ich sah zuerst nur seinen Rücken, er hatte mir den Platz vis-a-vis überlassen, den an der Wand. Moritz weiß, dass ich lieber an der Mauer sitze, dass ich eine sichere, stabile Wand im Rücken schätze, dass es mich nervös macht, wenn ich nicht kontrollieren kann, was hinter mir passiert, auch wenn sowieso nie irgendwas passiert. Er ist ein netter Mensch. Als ich ihn links und rechts auf die Wange geküsst hatte, erschien ein winziger, schwarzhaariger Kellner mit riesigem Schnurrbart,

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