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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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erzählt. Für Tratsch und Klatsch habe ich nichts übrig, aber das, was sie sagte, entsprach der Wahrheit.«
    »Hat sie Ihnen etwas über Jim Day erzählt?«, fragte Nautilus. »Diese Nachbarin?«
    Joiner spähte in ihr Glas und sah, dass es leer war. »Meine Kehle ist ganz trocken. Ich muss etwas trinken.«
    Sie trottete in die Küche, stellte das Glas auf eine Theke, auf der sich benutztes Geschirr stapelte, und öffnete den Kühlschrank. Sie gab drei Eiswürfel in das Glas, füllte es halb mit Diätkräuterlimonade auf und verschwand kurz aus Nautilus’ Blickfeld. Als sie wieder auftauchte, war das Glas randvoll. Wodka und Kräuterlimonade, dachte Nautilus und unterdrückte eine Grimasse.
    »Kann ich Ihnen auch etwas anbieten?«, rief sie ihm aus der Küche zu.
    »Ein Glas Wasser.«
    Da Carla Joiner alles andere als eine perfekte Hausfrau war, grauste es Nautilus davor, aus einem ihrer Gläser zu trinken, aber was tat man nicht alles, um die Situation zu entkrampfen. Einmal hatte er einen Mann verhört, der gerade sein Haus strich. Der Typ hatte sich geziert und gestöhnt, bis sich Nautilus die Malerrolle geschnappt und sich damit an die Arbeit gemacht hatte. Keine zehn Minuten später redete der Bursche wie ein Wasserfall. Nach dem Gespräch, das den ganzen Nachmittag gedauert hatte, waren zwei Mordfälle gelöst, was nur recht und billig war, denn Nautilus hatte dem Mann immerhin die Veranda gestrichen.
    Carla Joiner setzte Nautilus ein Plastikglas mit lauwarmem Wasser vor. Er bedankte sich und trank einen Schluck, wobei er darauf achtete, mit den Lippen nicht die Stelle zu berühren, wo noch Lippenstift klebte. Sie setzte sich, drückte in einem der überquellenden Aschenbecher ihre Zigarette aus und zündete sich eine neue an. Blauer Rauch quoll aus ihrer Nase. Nautilus beugte sich vor und verkniff es sich, den Qualm mit der Hand wegzufächeln.
    »Na, was hat die Dame Ihnen denn über die Kindheit des kleinen Jim Day erzählt?«
    Sie lachte freudlos. »Kindheit kann man das nicht nennen. Der Kleine hatte doch gar keine Chance. Diese grässliche Frau lebte im Sündenpfuhl und hat ihren Sohn da auch reingezogen.«
    »Ich vermute mal, Sie sprechen gerade von Jim Days Mutter?«
    »Die einzigen Verwandten, die der Junge kannte, waren seine Mutter und seine Großmutter. Sein Vater war einer von diesen Typen, die zehn Minuten erübrigen können und sich das zwanzig Mäuse kosten lassen.«
    »Ms Day war eine Prostituierte?«
    »Die Nachbarin hat gesagt, und ich zitiere jetzt wörtlich, ›Lorinn Day steht auf, wenn die Sonne untergeht, macht die Beine breit und bedient einen nach dem anderem.«
    »Die Freier?«
    »Manchmal waren drei, vier Männer gleichzeitig in dem Haus. Und da verkehrten auch Frauen. Hin und wieder vergnügten sich dort Männer und Frauen. Und mitunter konnte man gar nicht sagen, was Männlein und Weiblein war, weil die Frauen maskuliner wirkten als die Typen. Diese Frau schreckte vor nichts zurück.« Carla Joiner legte eine kurze Pause ein. »Das habe ich jedenfalls gehört.«
    »Und wo war Jim währenddessen?«
    Sie runzelte die Stirn. »Vermutlich im Haus. Seine Mutter wurde ein paarmal verhaftet und landete im Bezirksgefängnis. Dann kam Jim in eine Pflegefamilie. Oder die Großmutter passte auf ihn auf.«
    »Die Mutter von Days Mutter?«
    »Tja, da ist der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen, kann ich Ihnen sagen. Die Alte war gemein, durch und durch böse. Kleidete sich wie ein Flittchen und hatte laufend Scherereien. Und sie wirkte kaum älter als ihre Tochter. Wahrscheinlich hat sie Lorinn Day mit vierzehn, fünfzehn Jahren bekommen. Und Lorinn war schätzungsweise auch erst zwanzig, als mein Exmann und ich damals dieses Haus gekauft haben.«
    Nach Nautilus’ Berechnung hatte Lorinn Day Jim mit achtzehn oder neunzehn Jahren bekommen. Es war davon auszugehen, dass der Junge für sie eine schwere Bürde gewesen war. Auf der anderen Seite hatte sie für ihn gewiss finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten.
    »Und Sie meinen, dass die Großmutter nicht gut für Jim Day war?«
    Carla Joiner spähte über den Glasrand. »Keine der beiden Frauen hat sich für den Jungen interessiert. In dem Haus ging es richtig schlimm zu.«
    Nautilus’ Magen krampfte sich zusammen. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich entsinne mich noch gut, wie Lorinn Day zum ersten Mal in den Knast kam. Ich meine, ich erinnere mich noch an das, was die Nachbarin mir darüber erzählt hat. Die Großmutter war daheim

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