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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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studierte mehrere Akten, kopierte sachdienliche Hinweise, prüfte gegen und erfuhr mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. Am Ende hatte er einen ganzen Notizblock mit Namen, Adressen und Telefonnummern vollgeschrieben.
    Die Angestellten – ein Dutzend Damen zwischen dreißig und sechzig in unsäglich langweiligen und öden Kleidern – erschienen zur Arbeit, als Ms Quint ihn zur Tür brachte. Sie hakte sich bei ihm unter und stützte sich auf ihn, als wäre sie auf einmal ganz zerbrechlich. Hatte er sie überstrapaziert?
    »Ich finde allein nach draußen, Ms Quint«, bot er an. »Sie brauchen mich nicht zur Tür zu bringen.«
    »Doch, doch«, flüsterte sie und schmiegte sich noch enger an ihn. »Da Sie schon hier waren, als die Damen auftauchten, möchte ich, dass sie sich den Kopf darüber zerbrechen, ob Sie mein neuer Liebhaber sind und wir uns hier auf einem Schreibtisch vergnügt haben. Wenn man den ganzen Tag mit diesen alten Jungfern zubringt, kann man ein bisschen Amüsement gebrauchen.«
    Nautilus kostete es einige Mühe, nicht laut herauszulachen. Als sie auf die Tür zusteuerten, folgten ihnen ein Dutzend Augenpaare. Ehe er sich verabschiedete, zitterte er mit den Knien, als würden sie gleich nachgeben, küsste sie auf die Stirn und sagte gerade so laut, dass er am anderen Ende des Flurs noch zu verstehen war: »O Schatz, du hast mich ganz schön in die Zange genommen.«
    Er hätte schwören können, dass der einen oder anderen Lauscherin vor Entsetzen der Atem stockte. Loretta Quint drückte seinen Arm und zwinkerte.
    Als Nautilus in seinen Wagen stieg, war es acht Grad wärmer als noch vor einer Stunde, was im Sommer in Alabama keine Seltenheit war. Er klappte seinen Notizblock auf und überlegte, wo er anfangen sollte. Ein Blick ins Grundbuch hatte ihm verraten, dass das Ehepaar Joiner für 34000 Dollar ein Grundstück samt Haus in der Straße gekauft hatte, in der Day aufgewachsen war. Carla Joiner lebte noch immer dort, und ihr Heim war in der Straße das einzige, das nicht den Besitzer gewechselt hatte. Nautilus hatte auch erfahren, dass Elbert und Carla zwei Jahre nach dem Kauf die Scheidung eingereicht hatten. Allem Anschein nach hatte Ms Joiner das Haus als Abfindung erhalten und nie den Drang verspürt, von dort wegzuziehen.
    Er folgte ein paar Meilen der Hauptstraße und fuhr dann auf einem mit Schlaglöchern übersäten Highway, bis er das Viertel erreichte. Die Luft über dem trockenen Landstrich flimmerte in der Hitze und ließ den Horizont verschwimmen. Die eher bescheidenen Häuser, in den zwanziger und dreißiger Jahren für Arbeiterfamilien errichtet, standen auf riesigen Grundstücken. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass die Gegend schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Häuser wirkten verwahrlost, und es stank, als gäbe es in der Nähe einen kleinen See, der umgekippt war. Nautilus vermutete, dass jeder, der über ein entsprechendes Einkommen verfügte, seine Zelte schon vor langer Zeit in einem der hübscheren Vororte aufgeschlagen hatte, die in der Nachkriegszeit hinter dem Highway entstanden waren.
    Er fuhr an einem zweistöckigen Fachwerkhaus auf einem zweitausend Quadratmeter großen Grundstück vorbei, in dem einst die Days gewohnt hatten. Vorn im Garten entdeckte er einen kaputten Pick-up, mehrere Autoreifen und einen verrosteten Außenbordmotor, an dem ein traurig dreinblickender Hund angeleint war, der in seinem eigenen Kot saß und Nautilus apathisch beäugte.
    Das Haus der Joiners, ein winziger, heruntergekommener Bungalow, stand ein gutes Stück zurückgesetzt von der Straße. Da die Holzstützen vermoderten, sackte die Veranda auf der linken Seite langsam ab. Das Granulat der grauen Bitumendachschindeln hatte sich gelöst. Der Rasen war längst verdörrt, und in der trockenen Erde wuchs nur mehr Unkraut. Der im Vorgarten abgestellte Wagen war eins von diesen Schlachtschiffen, die in Detroit in den achtziger Jahren massenhaft vom Band gerollt waren. Das Auspuffrohr war mit einem Drahtbügel an der Stoßstange befestigt.
    Nautilus ließ den Blick über das trostlose Areal schweifen, ehe er aus Furcht, das Haus zum Einstürzen zu bringen, ganz sachte anklopfte. Als sich hinter einem Fenster der Vorhang bewegte, trat er ein paar Schritte zurück und gab sich Mühe, wie ein netter Kerl zu wirken.
    Kurz darauf kam eine Frau Mitte sechzig an die Tür. Sie wirkte verbraucht, ihr Gesicht war runzlig und aufgedunsen, und das dicke Make-up betonte die Tränensäcke, anstatt

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