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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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sie zu kaschieren. Ihre Haare waren blond gefärbt und am Ansatz braun. Sie schien ein Faible für Ringe und Armbänder zu haben, trug ein verblichenes gelbes Schürzenkleid und Pantoletten mit sieben Zentimeter hohen Absätzen. Der Fernseher lief, und der Geruch von frittiertem Essen, Zigaretten und Kräuterlimonade drang nach draußen.
    »Ms Carla Joiner?«, fragte er.
    »Ist mir egal, was Sie verkaufen, Mister, ich kann es mir nicht leisten …«
    Nautilus zeigte ihr seine Marke. »Ich ziehe Erkundigungen über einen Mann namens Jim Day ein.«
    »Noch nie von ihm gehört«, antwortete sie viel zu schnell und wollte schon die Tür schließen, was Nautilus zu verhindern wusste. Er hob die rechte Hand und drückte die Tür wieder auf.
    »Vielleicht sollte ich es anders formulieren. Ich interessiere mich für Jim Days Kindheit. Sie haben den Jungen damals garantiert gekannt, denn laut Grundbuch lebten Sie schon hier, als die Days gegenüber wohnten.«
    Als sie merkte, dass sie in der Falle saß, schloss sie die Augen. »Ich kann mich kaum mehr erinnern. Wir waren nicht befreundet. Und das ist doch schon Ewigkeiten her.«
    »Könnte ich Ihnen dennoch ein paar Fragen stellen?«
    Sie seufzte theatralisch und bedeutete Nautilus, dass er eintreten durfte. Carla Joiner hielt ein Glas aus einem Schnellrestaurant in der Hand, auf das ein grinsender Clown gemalt war und in dem nur noch ein paar Eiswürfel schwammen.
    Als Nautilus sich an der Frau vorbeizwängte, roch er, dass sie nicht nur Kräuterlimonade getrunken hatte. Das Wohnzimmer war vollgestopft mit schäbigem Mobiliar aus einem von diesen Billigmöbelhäusern, wo man sich für vierhundert Dollar sieben Teile aussuchen konnte. Mit Kartons und Obstkisten hätte man ein besseres Ergebnis erzielen können. Nautilus deutete mit dem Kinn auf den brüllend lauten Fernsehapparat. Die Zimmerantenne war mit Alufolie umwickelt.
    »Darf ich die Lautstärke runterdrehen?«
    Ms Joiner zuckte mit den Achseln. »Läuft ja eh nur Mist.«
    Sie ließ sich auf eine abgewetzte Couch fallen, zündete sich eine Zigarette an und forderte Nautilus auf, sich auf einen Holzstuhl zu setzen. Auf dem Wohnzimmertisch türmten sich Illustrierte und drei überquellende Aschenbecher. Als sie ein Bein über das andere schlug, fiel Nautilus auf, dass sie wie gebleicht wirkten und sich unter der Haut blaue Adern abzeichneten.
    »Was können Sie mir über die Familie Day erzählen?«, fragte er.
    »Ich habe doch schon gesagt, ich kannte die Frau und den Jungen nicht. Wie soll ich Ihnen da weiterhelfen können?«
    »Ich möchte ja nur etwas über den Werdegang des Jungen erfahren. Wie seine Kindheit war, was er als Junge so getrieben hat.«
    Bei dem Wort »Kindheit« kniff sie die Augen leicht zusammen. Ihre Miene verriet ihm, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte. Schnell drehte sie den Kopf in die andere Richtung und fixierte den Fernseher, damit sie sich nicht verriet.
    Sie weiß etwas, dachte Nautilus.
    »Ms Joiner? Hallo?«
    Mit zusammengebissenen Zähnen drehte sie den Kopf wieder in seine Richtung. »Haben Sie etwas mit den Ohren, Mister? Ich habe diese Leute eigentlich nie gesehen. Und wenn ich nichts weiß, kann ich auch nichts sagen.«
    Im Geist spielte Nautilus alle Verhörstrategien durch, auf die er zurückgreifen konnte. Im Lauf von zwanzig Berufsjahren hatte er einiges ausprobiert. Mal mimte er den ahnungslosen Trottel, mal den großen bösen Schwarzen, der kleine Weiße einschüchterte, und manchmal rang er mit den Händen, als könnte er nur so verhindern, seinem Gegenüber die Gurgel umzudrehen.
    Heute entschied er sich für eine Taktik, die in ähnlich gelagerten Situationen sehr gut funktioniert hatte: Er brachte eine fiktive dritte Person ins Spiel, hinter der sich Carla Joiner verstecken konnte. Zufrieden lehnte Nautilus sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    »Ich will mal anders fragen, Ms Joiner … kannten Sie vielleicht jemanden, der mit den Days befreundet war? Jemanden, der Ihnen gelegentlich etwas über die Familie erzählt hat? Kommt ja schon mal vor, dass Nachbarn am Zaun stehen und sich unterhalten.«
    Carla Joiner schürzte die Lippen, ließ sich seine Fragen durch den Kopf gehen und nickte unbewusst. Dann starrte sie an die Decke und tippte mit einem angeknabberten, rot lackierten Fingernagel an die Lippen.
    »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich mich ein paarmal mit der Frau unterhalten, die neben den Days wohnte. Sie hat mir das eine oder andere

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