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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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Taille reichten, deutlich jünger als Mitte sechzig. Sie war eine große, grobknochige Frau mit einem ansteckenden Lachen. Sie trug ein Neil-Young-T-Shirt, geflickte Jeans und wuchtige Plastikschlappen. Hätte sie ihren Unterhalt als Wrestlerin verdient, wäre der Name Big Hippie Mama nach Nautilus’ Dafürhalten passend gewesen. Sie begrüßte ihn auf der Veranda und lud ihn sofort in die Küche auf eine Tasse Kaffee ein.
    »Jimmy kam zu uns, als seine Mutter wegen Drogenhandels verhaftet wurde und ins Gefängnis musste. Wir waren eine von drei Familien, bei denen er untergebracht wurde. Pflegeeltern tauschen sich aus, und ich kann Ihnen verraten, dass wir alle die gleiche Erfahrung mit ihm gemacht haben.«
    »Und wie war die?«
    Sie schüttelte das graue Haar, das ihr ins Gesicht gefallen war, nach hinten. »Jimmy hat nie gespielt. Er saß einfach nur da und schaute einen an, als wolle er etwas ergründen. Oder als würde in seinem Kopf ein Film ablaufen, in dem man eine Rolle spielte und dessen Ende nur er kannte. Er wirkte nie wütend und machte keine Scherereien, was wahrscheinlich daran lag, dass er in einer anderen Welt lebte.«
    »War er beschränkt? Ich meine …«
    »Geistig zurückgeblieben? Nein, ganz im Gegenteil. Er hatte gute Zensuren, aber wenn man mit seinen Lehrern sprach, stellten alle dieselbe Frage und wollten wissen, ob er immer so ruhig war und sich daheim auch so eigenartig benahm.«
    »Eigenartig, Ma’am?«
    Ms Cullers runzelte die Stirn und rang nach den richtigen Worten. »Manchmal sagte er Dinge, die nicht in den Kontext passten. Erzählte man ihm, dass vergangene Nacht jemand die kleinen Kätzchen der Familie Smith von der Veranda stibitzt hatte, lachte Jimmy und sagte, in der Schule hätte es Hotdogs zum Mittagessen gegeben. So in der Art. Da gab es keinen Zusammenhang, jedenfalls keinen, auf den wir uns einen Reim machen konnten. Und er schaute andauernd fern, Kriegsfilme, Polizeiserien und alte Western. Die Filme von John Wayne liebte er über alles. Vor allem den einen …« Sie ließ den Zeigefinger kreisen, als ob sie auf diese Weise ihr Gedächtnis auffrischen könnte. »Er hieß irgendwas mit Rio.«
    »Rio Grande?«
    »Genau. Er studierte die Fernsehzeitschrift ausführlich, weil er wissen wollte, ob der Film irgendwann lief. Und wenn sie ihn mitten in der Nacht zeigten, stand er dafür extra auf. Wir haben ihm das nicht verboten. Immerhin war das Fernsehen eines der wenigen Dinge, die ihn interessierten.«
    »Wie lange haben Sie sich um ihn gekümmert?«
    »Elf Monate. Er war kein schwieriges Kind, denn er war ja eigentlich nie richtig anwesend. Im Herbst ist mein Mann gestürzt und hat sich am Rücken verletzt, so dass er nicht mehr arbeiten gehen konnte, und da habe ich angefangen, im Konsumverein zu arbeiten, bis es ihm wieder besser ging.«
    Nautilus schob die leere Tasse in die Mitte des Tisches, lehnte sich zurück und überlegte, ob er gehen sollte. »Bis auf diese Eigenarten haben Sie bei Jim Day also keine weiteren Verhaltensauffälligkeiten bemerkt?«
    »Nein, eigentlich nicht …« Sie schien zu zögern.
    »Oder doch, Ms Cullers?«
    »Jimmy hat manchmal ins Bett gemacht. Na, manchmal ist vielleicht ein bisschen untertrieben … eigentlich passierte das fast jede Nacht, was ich nicht schlimm fand. Ich habe eine Gummiunterlage auf die Matratze gelegt und ihm frische Laken ins Zimmer gelegt, damit er sie selbst wechseln konnte, und wir haben alle so getan, als ob nichts wäre.«
    Nautilus bekam ein flaues Gefühl im Magen. Das ist der erste Indikator. Einer von Dreien. Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch.
    »Ms Cullers, hat es mal bei Ihnen oder irgendwo im Viertel gebrannt, als Jimmy bei Ihnen wohnte?«
    Sie musterte ihn neugierig. »Woher wissen Sie das?«
    »Erzählen Sie mir doch ein bisschen mehr darüber.«
    »Ich kann mich an zwei Begebenheiten erinnern. Einmal brannte es neben dem Highway. Normalerweise passiert das, wenn jemand eine brennende Zigarette aus dem Wagen wirft, aber dieses Feuer wurde in einer Hütte im Wald gelegt und breitete sich dann bis zum Highway aus. Niemand hat sich etwas dabei gedacht. Ein paar Monate später passierte das allerdings noch mal.«
    »Und wenn mich nicht alles täuscht, war das Feuer diesmal größer.«
    »Ein paar hundert Meter weiter brannte ein verlassenes Haus ab. Der Feuerwehr zufolge handelte es sich um Brandstiftung. Jemand hat es mit Benzin in Brand gesteckt. An dem Tag sind mehrere seltsame

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