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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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ihre Kräfte.
    »Hallo? Sind Sie noch da, Ms Pelgin?«
    »Ich bringe es nicht über mich, Ihnen mehr zu erzählen.«
    »Ms Pelgin, ich gehöre einem Team an, das sich mit schwer gestörten Personen befasst, und habe schon viele befremdliche Geschichten gehört. Glauben Sie bitte nicht, mich könnte noch etwas schrecken.«
    Die Erfahrung hatte Nautilus gelehrt, wie man Menschen zum Sprechen bewegen konnte: Man musste ihnen die Angst vor der Blamage nehmen.
    »W-wir verbrachten unsere Flitterwochen in einem Motel in Branson. In unserer Hochzeitsnacht holte er einen … einen Karton aus dem Schrank, und in dem lag ein … ein … ich weiß nicht, wie man das nennt. Es hatte Strapse. Er wollte, dass ich …«
    »Schon gut, Ms Pelgin. Ich weiß, was Sie meinen.«
    »Und er musste Wasser lassen, während er … mit mir schlief. Das hat mich echt verstört.«
    »Hat er Sie jemals geschlagen?«
    »Ja, aber erst nach der Hochzeit. Zuerst hat er mich angebrüllt und mich geschubst, wenn ich seine Hemden nicht richtig gebügelt oder das Essen falsch zubereitet habe. Wenn Sie mich fragen, wollte er gar keine Frau, sondern einen Hund.«
    »Haben Sie ihn um die Scheidung gebeten?«
    »Nach zwei Monaten war ich fix und fertig, und als ich ihm das sagte, tickte er aus. Er drohte mir, mich so zu verprügeln, dass ich noch schreien würde, wenn ich längst tot wäre.«
    Nautilus’ Blick wanderte zu dem Schlepper, der mehrere Kähne den Tombigbee hochzog. Das laute Motorengeräusch drang durch das offene Wagenfenster. Nautilus wunderte es, wie lange die Heckwelle des Frachters noch zu sehen war. Obwohl der Schlepper längst um die Flussbiegung gefahren war, war das Wasser immer noch ganz aufgewühlt.
    »Vor lauter Angst wusste ich nicht, was ich tun sollte«, fuhr Pelgin fort. »Irgendwann habe ich meinem Vater davon erzählt. Er schaute dann bei uns vorbei, klopfte an die Tür und bat Jim, mit ihm ein Bier zu trinken.«
    »Ihr Vater und Jim sind gut miteinander ausgekommen?«
    »Jim wurde in Vaters Gegenwart immer ganz sentimental und führte sich wie ein kleiner Junge auf. Er achtete darauf, dass wir immer Daddys Lieblingsbier und Lieblingsknabbereien im Haus hatten. Doch als Jim die Tür öffnete, knallte Daddy ihm den Gewehrkolben ins Gesicht und schlug ihn nieder. Dann zielte er mit dem Gewehr auf Jims Kopf und sagte ihm, dass ich ihn nun ein für alle Mal verlasse, und falls er dazu etwas zu sagen habe, solle er jetzt den Mund aufmachen.«
    »Wie hat Jim reagiert?«
    »Er hat gesungen. Wie ein Indianer. Blut quoll ihm aus dem Mund. Er hatte sich eingepinkelt, stimmte einen Indianergesang an und fuchtelte mit dem Arm herum, als hielte er einen Tomahawk. Einen Monat später war ich tausend Meilen weit weg und habe ihn seither nie wieder gesehen.«
    »Und warum haben Sie dann immer noch solche Angst vor ihm, Ms Pelgin?«
    »Weil er so irre ist, dass es keine Rolle spielt, wie viel Zeit vergangen ist. Eines schönen Tages wird er an mich denken und sich daran erinnern, dass er mit mir noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Obwohl das alles über zwanzig Jahre zurückliegt, halte ich jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe, nach ihm Ausschau. Finden Sie, dass ich übertrieben reagiere?«
    »Nein, Ma’am«, sagte Nautilus. »Ganz im Gegenteil.
    Ich halte Sie für ziemlich klug.«
    *
    »Rio Grande ?«, fragte ich abends um Viertel vor elf Harry ins Gesicht, was mich über alle Maßen freute.
    »Ein John-Wayne-Film, Kumpel. John Wayne war ein …«
    Ich beugte mich vor. »Mann, Harry. Ich weiß, wer John Wayne war. Hat immer Cowboys gespielt.«
    »Rück mir nicht so auf die Pelle, Carson. Unsere Köpfe stoßen ja gleich zusammen.«
    »Tut mir leid.«
    Ich lehnte mich zurück. Kaum hatte ich Harry erzählt, dass es im Hotel ein Business-Center mit Computerplätzen gab, fragte er, ob die Rechner hier auch mit Kameras ausgestattet waren. Ein Hotelangestellter half mir und gab ein paar Befehle ein, während Harry seinen Computer startete. Und nun konnten wir uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Es tat mir in der Seele gut, seine breite Visage und den kohlrabenschwarzen Schnauzbart zu sehen, auch wenn sein Gesicht gelegentlich nur ein Haufen undefinierbarer Pixel war. In Sepiatöne getaucht und etwas unscharf, wirkte Harry leicht Furcht einflößend, was mich hochgradig amüsierte.
    »Wayne war nicht nur irgendein x-beliebiger Cowboy-Darsteller, sondern hat massenhaft Western gedreht. Der Mann war eine Ikone, zumindest für die Leute, die

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