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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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stachen heraus, als wären sie mit Neonfarbe geschrieben worden:
     
    Heute ein kurzer, derber Sprechgesang
    von Schiffen mit wunderbaren Fahnen oder
    Signalflaggen, die über die Meere segeln …
    Stets die Helden zu Wasser und zu Land, wenn einer
    oder gar zwei nahen,
    … und eigens für dich … eine Flagge gehisst,
    höher als all die anderen …
    … Stellt wie stets stolz zur Schau die unterschiedlichen
    Signalflaggen! …
     
    Fahnen, Signalflaggen. Ein oder zwei Helden.
    »Du Mistkerl«, flüsterte ich. »Du hinterlistiges Schwein.«
    Jetzt kapierte ich endlich, was Jeremys Botschaft bedeutete. Sie lieferte mir einen Hinweis darauf, wie ich mit ihm in Kontakt treten konnte, doch er spielte wieder eins von seinen verfluchten Spielchen, und ich musste erst das Rätsel lösen.
    Als Kinder hatten mein Bruder und ich im Wald hinter unserem Haus Forts gebaut, windschiefe Dinger aus Gerümpel, das auf dem Müll gelandet war. Manchmal taten wir so, als wären sie Schiffe und wir heldenhafte Seefahrer. Dann zerrissen wir Laken, die unsere Mutter weggeworfen hatte, hissten unsere selbst gebastelten Flaggen und riefen »Ahoi!«, »Achtung!« und was mutige Männer eben riefen, wenn sie an der Nordostküste Südamerikas vorbeisegelten.
    Ich hängte ein Laken vor mein Fenster und rechnete damit, Stunden, wenn nicht gar Tage warten zu müssen. Keine zwölf Minuten später läutete das Telefon.
    »Hast ja ganz schön lange gebraucht«, meinte Jeremy. »Wurde bei dir vor kurzem eine Lobotomie durchgeführt?«
    »Verflucht, liegst du gegenüber auf der Lauer?«
    »Überleg noch mal, Kumpel.«
    Ich trat ans Fenster und musterte die Menschenmenge unten auf der Straße. Schräg gegenüber hatten schwarze Somalier Verkaufsstände aufgebaut und priesen ihre Handtaschen und Koffer lautstark in einem musikalischen Singsang an. Sie kamen frühmorgens und verschwanden erst nach Einbruch der Dunkelheit.
    »Einer von den Taschenverkäufern interessiert sich für mein Fenster.«
    »Dafür bekommt M’tiwmbe zweihundert Dollar die Woche von mir.«
    »Wie geht es Folger? Ist sie …«
    »Sie lebt, atmet, isst und uriniert, falls ich das Geräusch richtig interpretiert habe. Was für ein Affentheater, nur um zu pinkeln. Es klang jedenfalls so, als würde jemand eine Wand mit einem Schlauch abspritzen.«
    »Wie schnell können wir uns treffen? Wir müssen uns treffen. Und bitte keine Tricks.«
    »Ist echt höchste Zeit, dass du mal was Sinnvolles machst. Ich schicke dir ein Taxi. Der Fahrer vertritt manchmal komische Ansichten. Lass dich davon besser nicht irritieren.«
    Ich stellte mich an die Kreuzung und wartete, bis ein gelbes Taxi um die Ecke gerast kam und der grinsende Fahrer mich hektisch heranwinkte.
    »Steigen Sie ein. STEIGEN SIE EIN! Wir beide werden jetzt ganz berühmte Stars.«
    Mit glückseligem Funkeln in den Augen schaute der Fahrer kurz nach links und dann nach rechts. Seine Haare erinnerten mich an eine Elefantengraswiese, über die ein Tornado hinweggefegt war. Er trug eine Smokingjacke aus Silberlamé und ein schwarzes T-Shirt, auf das Warhols Marilyn gedruckt war. Mir kam es so vor, als hätte er mehrere hundert Tassen Kaffee intus.
    »Stars?«
    »ICH WERDE MIR EIN HAUS IN MALIBU ZULEGEN!«
    Zwei Blocks später kannte ich die ganze Geschichte. Der einflussreiche und scheue Inhaber einer Casting-Agentur in Hollywood hatte meinen durchgeknallten Fahrer davon überzeugt, ihm wäre der Ruhm sicher, solange er bei dem Casting-Agenten nicht in Ungnade fiel. Und falls mich der Eindruck nicht täuschte, hatte dieser Hollywoodtyp die Absicht, mich im selben Film unterzubringen.
    Ich konnte mir denken, auf wessen Mist diese Geschichte gewachsen war.
    Nachdem der Fahrer mich irgendwo in Murray Hills abgesetzt hatte, hielt er die geballte Faust wie eine Tröte vor den Mund und kreischte: »RUF AN, WENN DU DICH EINGELEBT HAST!« Und damit raste er davon, als hätte er eine dringende Verabredung im hintersten Winkel der Galaxie.
    Ich stand in einer ruhigen, von Backsteinhäusern gesäumten Straße, hielt auf die Tür eines schmalen Gebäudes zu und klingelte. In einem roten Sakko und einem weit geschnittenen blauen Hemd öffnete Jeremy mir die Tür. Um die Taille herum hatte er ziemlich zugelegt – wahrscheinlich ein Kissen oder etwas in der Art. Seine stufig geschnittenen Haare waren blond. Er trug braune Kontaktlinsen, hatte irgendetwas aufgetragen, das die Falten in seinem Gesicht betonte, und er hatte Zeit in einem

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