Bestialisch
Dampflok.
Als der Müllwagen im Vorbeifahren unsere Stoßstange streifte, drehten wir uns um die eigene Achse. Müll fiel aus der offenen Presse und landete auf der Straße. Der Laster rammte den Streifenwagen, in dem Jeremy saß. Bei dem Aufprall lösten sich Metallteile. Jeremys Bewacher stießen die Tür auf und sprangen aus dem gestauchten Fahrzeug. Der Mülllaster blieb mitten auf der Straße stehen. Die Tür flog auf. Ein nackter Mann mit Patronengurten und zwei Sturmgewehren hüpfte auf die Straße und brüllte: »Heil Asmodäus!«
Kaum war sein Schlachtruf verklungen, begann er wie wild, um sich zu schießen.
Bullard stieß einen Schrei aus und ging hinter dem Streifenwagen in Deckung. Ich folgte seinem Beispiel. Zwei stark zerbeulte Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Die dicken beißenden Rauchschwaden vernebelten uns die Sicht. Ich hörte, wie kreischende Passanten auf der Flucht übereinanderstolperten. Der Gestank von Müll und Schießpulver waberte durch die Straße.
»Heil Asmodäus«, heulte der Mann noch mal und untermauerte seine Worte mit Gewehrsalven. Die Fensterscheibe unseres Streifenwagens zersprang. Ich spähte vorsichtig über die Motorhaube. Unser Angreifer warf eins von seinen Sturmgewehren weg und lud das nächste durch. Dann sprang er auf das Trittbrett des Lasters, steckte einen Fuß und eine Hand in die Fahrzeugkabine, gab Gas, fuhr um sich schießend im Kreis, schob Autos beiseite und fuhr Straßenlampen um. Funken stoben aus den durchtrennten Stromkabeln. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite krachte ein Aushängeschild auf den Gehweg.
Der Laster machte eine Kehrtwende und kam in unsere Richtung gefahren.
»Wir müssen hier weg«, rief Bullard. Wir rannten los und gingen ein paar Meter weiter vorn hinter einem niedrigen Betonpflanzenkübel in Deckung. Kugeln bohrten sich in den Bottich und pfiffen über unsere Köpfe hinweg.
Bullard brabbelte vor sich hin. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass er betete. Dann holte er tief Luft, stand auf und zog die Waffe. Er kniff ein Auge zu und verschoss die ganze Munition in seinem Magazin. Der Laster scherte nach links aus und rauschte in die Drogerie. Der Motor erstarb. Die Schnauze des Mülllasters steckte einen Meter tief in dem Laden. Der nackte Mann schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Der heiß gelaufene Motor knisterte. Bullard kroch zur Fahrerseite, und ich folgte ihm.
»Der Mistkerl ist am Arsch«, meinte Bullard. »Von dem haben wir nichts mehr zu befürchten.«
Der Angreifer war auf die Straße gefallen. Ein Teil seines Kopfes steckte immer noch in der Fahrerkabine. Seine Arme und sein Brustkorb waren von bizarren Tätowierungen überzogen, als hätte er sich seinen Wahnsinn mit Tinte auf die Haut schreiben lassen. In der Hand hielt er ein Automatikgewehr. In der Fahrzeugkabine entdeckten wir zwei weitere Gewehre, eine Pistole und acht Stangen Dynamit.
»Was halten Sie von alldem hier?«, wollte Bullard wissen.
Ich lief zu dem Streifenwagen, in dem Jeremy gesessen hatte. Er war leer. Am anderen Ende der Straße erhoben sich seine Aufpasser mit gezogenen Knarren. Bullard gab ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie ihre Waffen herunternehmen sollten. Laute Sirenen kündigten das Eintreffen der Feuerwehr und des Notarztes an. Überall war Rauch. Ich rannte in die nächste Avenue, schaute in die Querstraßen und kleinen Gässchen. In einem Umkreis von mehreren Blocks wimmelte es nur so von Polizisten.
»Irgendeine Spur von Ridgecliff?«, fragte ich jeden Bullen, dem ich begegnete.
Niemand hatte ihn gesehen.
Wenn mich nicht alles täuschte, hatte mein Bruder nicht Epperman verständigt.
EPILOG
Der Himmel war strahlend blau, und die Sonne ging langsam unter. Möwen flogen über das Wasser und kreischten in der Hitze. Harry, der heute eine weinrote Wanderhose trug, lehnte sich ans Verandageländer und verschränkte die Arme auf einem Hawaiihemd, auf dem sich pinkfarbene Shrimps in einem türkisfarbenen Meer tummelten.
»Sie haben in Days Haus zwei Uteri gefunden?«, fragte er.
»In einem Schraubglas mit Formalin. Seine Trophäen. Und in Wahrheit waren es leider sieben.«
»Oh-oh.«
»Als Jeremy in die Klinik gesteckt wurde, packte Day seine Sachen, ging nach Minneapolis und hat dort offenbar erst richtig losgelegt. In der Zeit, wo er dort wohnte, sind eine ganze Reihe von Frauen verschwunden. Inzwischen ermitteln schon vier verschiedene Reviere. Nach dem Muster, das sich abzuzeichnen beginnt,
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