Bestialisch
Händen ein Mordinstrument.
»Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dir eingebleut, immer eine Klinge mitzunehmen, oder?« Day grinste. »Schade, dass ich es auch war, der dir verraten hat, wo man so ein Ding am besten versteckt. Lasst uns jetzt nach oben gehen. Dort ist es gemütlicher.«
Die Holzstufen knarrten. In der oberen Etage fühlte man sich wie in einem Iglu. Alles war weiß gestrichen – Wände, Boden, Decke. Es gab ein Bett mit einem Metallrahmen, zwei Nachttischschränke mit Schubladen, drei U-förmig gruppierte Sofas und davor einen harten Holzstuhl. In der Ecke stand ein Fernsehapparat. Der Küchenbereich war nur spärlich mit einzelnen professionell wirkenden Objekten bestückt. Zudem gab es einen schweren Holztisch und vier Stühle. Von der Decke hängende Metallzylinder dienten als Lampen. In der hinteren Ecke stand eine Tür offen und gab den Blick auf eine Duschkabine aus Metall und eine blankgescheuerte Toilettenschüssel frei. Der Wohnbereich nahm ein Viertel der Gesamtfläche ein, die größtenteils leer war. Die wenigen Einrichtungsgegenstände waren robust und zweckdienlich und spiegelten perfekt Days Charakter wider.
Day befahl uns, mitten im Raum stehen zu bleiben. Dass er uns nicht bat, auf den Sofas Platz zu nehmen, war kein gutes Zeichen.
»Ich dachte mir schon, dass dich die Bullen nicht erwischen würden. Du planst vorausschauend und handelst dementsprechend. Hut ab, den Gesetzeshütern waren wir dank deiner immer drei Schritte voraus.« Day blickte mich an. »Jeremy ist unglaublich intelligent. Lässt man ihm genug Zeit, findet er sogar eine Möglichkeit, in den Haupttresorraum von Fort Knox zu gelangen.«
»Na, so klug ist er auch wieder nicht. Immerhin haben Sie ihn aufgespürt.«
»Stimmt, aber ich habe Jerry auch gesucht. Und offenbar haben wir die gleiche Dame beobachtet.« Er wandte sich an meinen Bruder. »Wo ist sie?«
Ich antwortete für ihn. »Alice Folger kennt Sie doch gar nicht. Warum wollen Sie ihr etwas antun?«
Day verpasste mir mit der Waffe einen Schlag auf die Wange. Mir wurde schwindelig und ich sah Sterne. »Weil ihre verschissene Mutter mir Jeremy weggenommen hat«, zischte er. »Sie hat mir meinen Jungen gestohlen und ihn getötet.«
»Ihr Junge ist doch wieder da«, herrschte ich ihn an, zeigte auf Jeremy und presste eine Hand auf meinen schmerzenden Wangenknochen, der hoffentlich nicht gebrochen war. »Da steht er doch, Arschloch.«
Day trat mit dem Fuß gegen mein Knie. Ich fiel um und landete hinter der Couch. Eigentlich interessierte er sich gar nicht für mich. Ich war nur eine lästige Fliege, die er loswerden wollte. Er drehte sich zu meinem Bruder um.
»Du hast mich in die Pfanne gehauen, Sohn. Mich verpfiffen.«
Das Kinn meines Bruders begann zu zittern. Er nahm die Hände hoch und versuchte, Day mit dieser Geste zu beschwichtigen. Eine Träne lief ihm über die Wange.
»Es … es tut mir leid, Jimmy. Ich habe jahrelang den Mund gehalten.«
Knick jetzt nicht ein, Jeremy, dachte ich. Reiß dich am Riemen, sei standhaft. Widersetze dich ihm. Du schaffst das.
»Zeit ist nicht von Bedeutung. Eine Minute, ein Jahr, was für einen Unterschied macht das? Man haut seine Familie nicht in die Pfanne.«
»Es tut mir leid, Jimmy. Ich habe einen Fehler gemacht, aber das war Prowse’ Schuld. Sie war eine Schlampe. Alle Weiber sind Schlampen. Wie du immer gesagt …«
Ohne zu überlegen, verpasste Day meinem Bruder eine Ohrfeige.
»HÖR AUF ZU JAMMERN! NUR FRAUEN JAMMERN!«
Jeremy wischte die Tränen weg. »Ich jammere ja nicht, Jimmy.« Er klang wie ein Fünfjähriger.
Ich hielt Ausschau nach einem Gegenstand, den ich als Waffe benutzen konnte, ein Lampenkabel oder einen Schraubenzieher, der unters Sofa gerutscht war, konnte jedoch nichts entdecken. Mein Blick fiel auf einen leeren Karton mit einem schwarz beschrifteten Aufkleber.
Russische Schachtelpuppe
Matrjoschka
Siebenteilig
Day wandte sich an Jeremy. »Im Kühlschrank steht eine Pulle Saft. Hol sie. Und setz deinen Bullen-Kumpel damit schachmatt.«
Was denn für Saft?
»Er ist nicht mein Kumpel, Jimmy. Ich schwöre, er ist nicht …«
»HOL DIE VERFLUCHTE FLASCHE, SOHN!«
»Ja, Sir.«
Jeremy wischte mit dem Handrücken die Tränen weg, ging zum Kühlschrank und kehrte mit einer Metallflasche zurück. Day zog ein Taschentuch aus der Gesäßtasche und warf es meinem Bruder zu.
»Jetzt mach schon, Jeremy. Ich will, dass er Ruhe gibt, damit wir uns ungestört unterhalten
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